Alkuin

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist die aktuelle Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 17. November 2024 um 05:36 Uhr durch GünniX (Diskussion | Beiträge) (WPCleaner v2.05 - Wikipedia:WPSK (Undefiniertes Ende bei Einzelnachweis)).
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Der junge Hrabanus Maurus (links), unterstützt von seinem Lehrer Alkuin, dem Abt des Stifts St. Martin zu Tours (Mitte), überreicht dem Heiligen Martin, Erzbischof von Tours, (rechts) sein Werk De laudibus sanctae crucis. Darstellung in einem Manuskript aus Fulda um 830/40 (Wien, ÖNB cod. 652, fol. 2v)
Alkuin als Dachfigur des Kunsthistorischen Museums, Wien

Alkuin (angelsächsisch Ealhwine, auch Alhwin, Alchoin, inschriftlich ALCHVVINVS, latinisiert Albinus mit Beinamen Flaccus; * 735 in der Nähe von York in Northumbria; † 19. Mai 804 in Tours?) war ein frühmittelalterlicher Gelehrter und der wichtigste Berater Karls des Großen.

Alkuin war der Sohn einer Adelsfamilie und wuchs in Yorkshire auf. Er war Schüler der weit über die britischen Inseln hinaus anerkannten Domschule in York und später deren Leiter. An dieser unterrichtete er unter anderen auch den als heilig verehrten Liudger, den „Apostel der Friesen“.[1] Im Jahre 781 traf er Karl den Großen in Parma und akzeptierte dessen Einladung, zu ihm an die Hofschule nach Aachen zu kommen, eine Einrichtung der sogenannten Hofkapelle. Ab 782 übernahm Alkuin deren Leitung, wodurch er großen Einfluss auf die Elite des Frankenreichs ausübte.

In dieser Funktion avancierte Alkuin, der als größter Gelehrter seiner Zeit galt, zum einflussreichsten Ratgeber Karls des Großen in Staats- und Kirchenfragen, wenngleich er sich mit seinen Vorstellungen nicht immer durchsetzen konnte. So wandte er sich vergeblich gegen die Gewaltanwendung bei der Missionierung der Sachsen. Im Gegensatz etwa zu Karls Biografen Einhard entwickelte Alkuin die Konzeption eines Sakralkönig- bzw. Kaisertums (Karl als neuer König David oder Konstantin der Große) und sah in Karl den Verteidiger der Kirche und Herrscher über ein christliches Universalreich. Zwischen 789 und 793 reiste er mehrmals nach England.

In der Frage des Bilderstreits scheint er eine gemäßigte Position eingenommen zu haben, wie sie auch bei seinem Schüler Rabanus Maurus zu beobachten ist, der mit seinem Figurengedichtzyklus De laudibus sanctae crucis für Bilder als Medien der Offenbarung und Verkündigung Position bezog. Als Verfasser der bildkritischen Libri Carolini sieht die neuere Forschung aufgrund westgotischer Orthografie und des Einflusses mozarabischer Liturgie sowie Abwesenheit Alkuins während der Entstehungszeit nicht mehr diesen, sondern den aus Spanien stammenden Theodulf von Orléans an.

Als Gegner des Adoptianismus trug er erheblich dazu bei, dass diese Lehre auf den Synoden von Frankfurt (794) und Aachen (799) als Irrlehre verurteilt wurde. Im Jahre 796 verließ er den Hof und wurde, obwohl er selbst kein Priester war, sondern lediglich Diakon, von Karl dem Großen zum Abt von Saint-Martin de Tours ernannt, möglicherweise, um ihn wegen seiner offenen Kritik am Vorgehen Karls in den Sachsenkriegen vom Hof zu entfernen.

Die älteste erhaltene Alkuin-Bibel (St. Gallen, Stiftsbibliothek, codex 75) ungefähr aus dem Jahr 801/804, also zur Zeit des Bilderstreits, zeigt nur spärliche Dekoration: hier (S. 690) die erste und zweite Kanontafel mit der Liste der Übereinstimmung unter allen vier bzw. unter drei Evangelien. In den Jahren nach 820 wurden die turonischen Bibeln immer stärker mit karolingischen Buchmalereien versehen.

Alkuin war ein bedeutender Vermittler der in England und Irland durch die Zeit der Völkerwanderung hindurch ins Frankenreich geretteten lateinischen Bildung, die er als Lehrer zahlreichen Schülern, darunter Hrabanus Maurus und Karl dem Großen selbst, vermittelte. Er gilt als einer der Begründer der Karolingischen Renaissance und ist mitverantwortlich für die Verbreitung der karolingischen Minuskel, einer aus Kleinbuchstaben bestehenden Schrift, die vom späten 8. bis in das 12. Jahrhundert im Gebrauch war und aufgrund ihrer Wiederbelebung durch die Humanisten als Vorbild für die heute verwendeten Kleinbuchstaben gilt.

Sein Schaffen war von umfassender Leistung auf allen Gebieten der frühmittelalterlichen Wissenschaft geprägt. Neben theologischen Abhandlungen, unter denen er selbst die drei Bücher über die Trinität (De fide sanctae et individuae Trinitatis) als sein Hauptwerk betrachtete und die man nach Albert Hauck als den Anfang der mittelalterlichen Theologie ansehen darf, sind zahlreiche andere seiner Werke erhalten geblieben, darunter 311 Briefe, in denen sich das Spektrum seiner vielfältigen Beziehungen als Gelehrter und Berater zur königlichen Familie, Hofleuten, geistlichen Führern und Gemeinschaften widerspiegelt. Die älteste Sammlung mathematischer Probleme in lateinischer Sprache, die Propositiones ad acuendos iuvenes wird Alkuin zugeschrieben.[2] Eine deren Lösungen ist die nach ihm benannte Alkuin-Folge[3].

Weiterhin erhalten sind Gedichte – darunter ein Briefgedicht[4] an Karl den Großen und die Aachener Hofgesellschaft –, Predigten, historiographische, biographische, theologische Werke sowie Abhandlungen über Rhetorik, Dialektik und Astronomie. Der Traktat Musica Albini konnte inzwischen auch Alkuin zugeordnet werden und wird im Kontext mit einem zeitgleich in Aachen entstandenen karolingischen Tonar verständlich[5]. Die größte zeitgenössische Breitenwirkung dürfte die von Alkuin begonnene Überarbeitung der Vulgata entfaltet haben. In seinem Stift Saint-Martin de Tours entstanden auf seine Anregung hin die sogenannten Alkuin-Bibeln, Bibelpandekten mit dem revidierten Vulgatatext und aufwendiger Illumination (Buchmalerei). De fide sanctae et individuae Trinitatis hatte nicht zuletzt eine politische Dimension, indem es dem Kaiser neben der weltlichen auch eine kirchliche Lehrautorität zusprach.

Eine ihm gewidmete Gedenktafel fand Aufnahme in die Walhalla bei Regensburg.

  • MS-C-91 - Liber de divinis officiis. Benediktinerabtei (?), St. Gallen, 1025 Digitalisat
  • Alkuin. Vita sancti Willibrordi. Das Leben des heiligen Willibrord. Lateinisch / Deutsch. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Paul Dräger. Kliomedia, Trier 2008, ISBN 978-3-89890-127-7.
  • Sven Günther, Michael Pahlke (Hrsg.): Alkuin. Propositiones ad acuendos iuvenes / Aufgaben zur Schärfung des Geistes der Jugend. Lindauer-Verlag, München 2009, ISBN 978-3-87488-222-4 (Lindauers Lateinische Lektüren).
  • Christiane Veyrard-Cosme: L' oeuvre hagiographique en prose d’Alcuin. Vitae Willibrordi, Vedasti, Richarii. Édition, traduction, études narratologiques. Edizioni del Galluzzo, Florenz 2003, ISBN 88-8450-062-1 (Per verba 21).
  • Arnold Angenendt: Das Frühmittelalter. Kohlhammer, Stuttgart u. a. 2001, ISBN 3-17-017225-5.
  • Friedrich Wilhelm BautzAlkuin. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 1, Bautz, Hamm 1975. 2., unveränderte Auflage. Hamm 1990, ISBN 3-88309-013-1, Sp. 118–119.
  • Walter Berschin: Biographie und Epochenstil im lateinischen Mittelalter. Band 3: Karolingische Biographie. 750–920 n. Chr. Hiersemann, Stuttgart 1991, ISBN 3-7772-9102-1, S. 113–146, 149–175 (Quellen und Untersuchungen zur lateinischen Philologie des Mittelalters 10).
  • Donald A. Bullough: Alcuin. Achievement and reputation. Being part of the Ford lectures delivered in Oxford in Hilary Term 1980. Brill, Leiden u. a. 2004, ISBN 90-04-12865-4 (Education and society in the Middle Ages and Renaissance 16).
  • Marta Cristiani: Le vocabulaire de l’enseignement dans la corespondance d’Alcuin, in: Olga Weijers (Hrsg.), Vocabulaire des écoles et des méthodes d’enseignement au Moyen Âge. Actes du colloque, Rome 21-22 octobre 1989 (= CIVICEMA. Études sur le vocabulaire intellectuel du Moyen Âge 6). Brepols, Turnhout 1992, S. 13–32.
  • Philippe Depreux (Hrsg.): Alcuin, de York à Tours. Écriture, pouvoir et réseaux dans l’Europe du haut Moyen Âge (= Annales de Bretagne et des Pays de l’Ouest 111, 3). Presses Universitaires de Rennes, Rennes 2004, ISBN 2-7535-0053-3.
  • E. DümmlerAlkuin. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 1, Duncker & Humblot, Leipzig 1875, S. 343–348.
  • Wolfgang Edelstein: Eruditio und Sapientia. Weltbild und Erziehung in der Karolingerzeit. Untersuchungen zu Alcuins Briefen. Rombach, Freiburg 1965.
  • Peter Godman (Hrsg.): Alcuin, the Bishops, Kings and Saints of York. Clarendon Press, Oxford 1982 (Oxford medieval texts).
  • Elizabeth Hartley (Hrsg.): Alcuin & Charlemagne. The golden age of York. The Yorkshire Museum, York 2001, ISBN 0-905807-18-9.
  • Heinz LöweAlkuin. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 1, Duncker & Humblot, Berlin 1953, ISBN 3-428-00182-6, S. 201 (Digitalisat).
  • Kerstin Springsfeld: Karl der Große, Alkuin und die Zeitrechnung. In: Berichte zur Wissenschaftsgeschichte. 27, 2004, ISSN 0170-6233, S. 53–66.
  • Ernst Tremp, Karl Schmuki, Theres Flury: Karl der Grosse und seine Gelehrten. Zum 1200. Todestag Alkuins († 804). Verlag am Klosterhof, St. Gallen 2004, ISBN 3-906616-65-7 (Ausstellungskatalog. St. Gallen, Stiftsbibliothek, 22. Dezember 2003 – 14. November 2004).
Commons: Alcuin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Alcuinus – Quellen und Volltexte (Latein)
  1. Altfrid: Vitae sancti Liudgeri
  2. Problems to Sharpen the Young, John Hadley and David Singmaster, The Mathematical Gazette, 76, #475 (März 1992), S. 102–126.
  3. Eric W. Weisstein: Alcuin's Sequence. In: MathWorld (englisch).
  4. Hermann Schefers: „Iste est laudabilis ordo“. Ein Beitrag zum Stellenwert der Medizin am Hof Karls des Großen und zum Problem der karolingischen „Hofschule“. In: Würzburger medizinhistorische Mitteilungen, Band 11, 1993, S. 175–203, insbesondere S. 179–187 (Alkuins Briefgedicht an Karl den Großen von 796).
  5. Hartmut Möller, Zur Frage der musikgeschichtlichen Bedeutung der "academia" am Hofe Karls des Großen: Die Musica Albini. In: Wolf Frobenius; Nicole Schwindt-Gross, Thomas Sick (Hrsg.), Akademie und Musik. Erscheinungsweisen und Wirkungen des Akademiegedankens in Kultur- und Musikgeschichte: Institutionen, Veranstaltungen, Schriften. Festschrift für Werner Braun zum 65. Geburtstag, zugleich Bericht über das Symposium, Saarbrücken 1993, S. 269–288.
  6. Frieder Schulz: Das Gedächtnis der Zeugen – Vorgeschichte, Gestaltung und Bedeutung des Evangelischen Namenkalenders. In: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie, Band 19. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1975, S. 69–104, Namenliste S. 93–104 (Digitalisat)
  7. Church of England: The Calendar