Präsident des Bundesrates (Deutschland)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist die aktuelle Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 1. November 2024 um 10:32 Uhr durch Frank Lloyd Wright 2 (Diskussion | Beiträge) (Verschiedenes).
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Präsidentin des Bundesrates der Bundesrepublik Deutschland
Logo des Bundesrats
Amtierend
Anke Rehlinger
Saarland Saarland
(2024/2025)

seit dem 1. November 2024
Anrede Herr Präsident bzw. Frau Präsidentin
(nur im Bundesrat)
Amtssitz Bundesratsgebäude,
Berlin, Deutschland Deutschland
Vorsitzender von Bundesrat
Amtszeit 1 Jahr
Vorheriges Bundesland Mecklenburg-Vorpommern Mecklenburg-Vorpommern
(2023/2024)
Nächstes Bundesland Bremen Bremen
(2025/2026)
Stellvertreter Erster Vizepräsident des Bundesrates
Stellvertreter von Bundespräsident
Wahl durch Bundesrat
Website www.bundesrat.de

Der Präsident des Bundesrates (kurz auch Bundesratspräsident) steht dem Bundesrat, einem der ständigen Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, vor. Zugleich ist der Präsident des Bundesrates Stellvertreter des Bundespräsidenten und übernimmt im Falle einer Vakanz des Amtes gemäß Artikel 57 Grundgesetz vorübergehend dessen Amtsgeschäfte.

In Deutschland existiert keine feste protokollarische Rangfolge. Jedoch hat sich aus der Praxis ergeben, dass er protokollarisch zumeist das vierthöchste Staatsamt auf Bundesebene nach dem Bundespräsidenten, dem Bundestagspräsidenten und dem Bundeskanzler darstellt.

Verfassungsgemäß kann jedes Bundesratsmitglied zum Präsidenten gewählt werden. Vereinbarungsgemäß rotiert das Amt des Präsidenten jährlich zwischen den Regierungschefs der 16 deutschen Länder.

Vergleichbare Ämter vor 1949

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der deutschen Verfassungsgeschichte ab 1867 wählten die Vertretungen der Gliedstaaten keinen Präsidenten. Stattdessen bestimmte die jeweilige Verfassung, dass ein Mitglied der föderalen Regierung dem Organ vorsaß. Im Norddeutschen Bund und im Kaiserreich war demnach der Bundeskanzler bzw. Reichskanzler Vorsitzender des Bundesrates, ohne selbst Sitz und Stimme darin zu haben. In der Praxis waren die Kanzler allerdings als Vertreter Preußens meistens Bundesratsmitglied.

In der Weimarer Republik führte laut Weimarer Verfassung ein Mitglied der Reichsregierung den Vorsitz im Reichsrat (bzw. zunächst im Staatenausschuss). Meist war dies der Reichsminister des Innern.

Nach Artikel 52 Absatz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland wählt der Bundesrat seinen Präsidenten für die Dauer eines Jahres. Gewählt werden kann nur, wer als Mitglied einer Landesregierung auch Mitglied des Bundesrates ist (§ 5 Absatz 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates). Nach der Königsteiner Vereinbarung vom 30. August 1950 wird im jährlichen Wechsel in der Reihenfolge fallender Einwohnerzahlen ein Regierungschef zum Präsidenten des Bundesrates gewählt.

Die Amtszeit eines Präsidenten begann zunächst jeweils am 7. September eines Jahres; dieser Zeitpunkt war gleichzeitig der Beginn des Geschäftsjahres des Bundesrates. Im Jahr 1957 wurde der Beginn der Amtszeit des Bundesratspräsidenten auf den 1. November verlegt, da der bereits zum Präsidenten gewählte Regierende Bürgermeister von Berlin, Otto Suhr (SPD), vor seinem Amtsantritt verstarb. Um keine Vakanz in der Präsidentschaft eintreten zu lassen, wurde der amtierende Bundesratspräsident, der Erste Bürgermeister und Präsident des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg, Kurt Sieveking (CDU), zunächst von den Mitgliedern des Bundesrates im Amt bestätigt, um schließlich am 1. November 1957 das Amt an den inzwischen neu gewählten Regierenden Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt (SPD), zu übergeben.[1]

Kompetenzen im Bundesrat

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Präsident beruft den Bundesrat ein (Artikel 52 Absatz 2 Grundgesetz). Er leitet die Sitzungen des Bundesrates und bereitet sie vor (§§ 20, 15 Geschäftsordnung des Bundesrates). Der Präsident vertritt die Bundesrepublik Deutschland in allen Angelegenheiten des Bundesrates. Er ist oberste Dienstbehörde für die Beamten des Bundesrates (§ 6 Geschäftsordnung des Bundesrates).

Gemeinsam mit dem Präsidenten werden auch zwei Vizepräsidenten gewählt. In der Vergangenheit war die Zahl der Vizepräsidenten höher: Im Zeitraum 1950 bis 2007 wurde ein Dritter Vizepräsident, im Zeitraum 1950 bis 1956 sogar ein Vierter Vizepräsident gewählt. Zusammen bilden Präsident und Vizepräsidenten das Präsidium des Bundesrates (§ 8 Geschäftsordnung des Bundesrates). Der Erste Vizepräsident ist der turnusgemäße Vorgänger des aktuellen Präsidenten, Zweiter Vizepräsident ist der designierte Nachfolger des aktuellen Präsidenten. Die Vizepräsidenten vertreten den Präsidenten im Falle seiner Verhinderung und bei vorzeitiger Beendigung seines Amtes. Insbesondere sind sie zur Vertretung berufen, solange der Präsident des Bundesrates nach Artikel 57 Grundgesetz die Befugnisse des Bundespräsidenten wahrnimmt.

Stellvertretung des Bundespräsidenten

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Falls der Bundespräsident an der Ausübung seines Amtes gehindert ist – beispielsweise durch Krankheit, Freiheitsverlust, einen längeren Auslandsaufenthalt oder Befangenheit – nimmt der Bundesratspräsident vorübergehend die Befugnisse des Bundespräsidenten wahr. Falls der Bundespräsident im Amt verstirbt oder von seinem Amt zurücktritt, übernimmt für die Zeit der Vakanz (bis der neue Bundespräsident durch die Bundesversammlung, die erst gebildet und amtlich einberufen werden muss, gewählt ist) gemäß Artikel 57 des Grundgesetzes ebenfalls der Bundesratspräsident die Amtsgeschäfte des Bundespräsidenten.

Im Rahmen der Vertretung stehen dem Bundesratspräsidenten alle Befugnisse des Bundespräsidenten zu, ohne dass es einer Vereidigung bedarf. Ist der Bundesratspräsident ebenso an der Ausübung seines Amtes gehindert, wird er auch in seiner Eigenschaft als Vertreter des Bundespräsidenten von seinen Vizepräsidenten vertreten.[2]

Bislang hat der Bundesratspräsident in drei Fällen die Befugnisse des Bundespräsidenten über einen längeren Zeitraum vollständig ausgeübt:

Zum Bundesratspräsidenten wird der Regierungschef des Landes gewählt, welches die Präsidentschaft im Bundesrat innehat. Die Abfolge der Bundesländer beginnt beim bevölkerungsreichsten Land (Nordrhein-Westfalen) und endet beim bevölkerungsärmsten Land (Bremen). Dieses Verfahren ist 1950 in der Königsteiner Vereinbarung festgelegt worden.

Der bisherige und zukünftige Turnus der Länder, die den Bundesratspräsidenten stellen, lautet:

Nordrhein-Westfalen Nordrhein-Westfalen 1949/1950 1960/1961 1971/1972 1982/1983 1994/1995 2010/2011 2026/2027
Bayern Bayern 1950/1951 1961/1962 1972/1973 1983/1984 1995/1996 2011/2012 2027/2028
Baden-Württemberg Baden-Württemberg 1952/1953 1962/1963 1973/1974 1984/1985 1996/1997 2012/2013 2028/2029
Niedersachsen Niedersachsen 1951/1952 1963/1964 1974/1975 1985/1986 1997/1998 2013/2014 2029/2030
Hessen Hessen 1953/1954 1964/1965 1975/1976 1986/1987 1998/1999 2014/2015 2030/2031
Sachsen Sachsen 1999/2000 2015/2016 2031/2032
Rheinland-Pfalz Rheinland-Pfalz 1954/1955 1965/1966 1976/1977 1987/1988 2000/2001 2016/2017 2032/2033
Berlin Berlin 1957/1958 1967/1968 1978/1979 1989/1990 2001/2002 2017/2018 2033/2034
Schleswig-Holstein Schleswig-Holstein 1955/1956 1966/1967 1977/1978 1988/1989 2005/2006 2018/2019 2034/2035
Brandenburg Brandenburg 2004/2005 2019/2020 2035/2036
Sachsen-Anhalt Sachsen-Anhalt 2002/2003 2020/2021 2036/2037
Thüringen Thüringen 2003/2004 2021/2022 2037/2038
Hamburg Hamburg 1956/1957 1968/1969 1979/1980 1990/1991 2007/2008 2022/2023 2038/2039
Mecklenburg-Vorpommern Mecklenburg-Vorpommern 1991/1992 2006/2007 2023/2024 2039/2040
Saarland Saarland 1959/1960 1969/1970 1980/1981 1992/1993 2008/2009 2024/2025 2040/2041
Bremen Bremen 1958/1959 1970/1971 1981/1982 1993/1994 2009/2010 2025/2026 2041/2042

Amtierendes Präsidium des Bundesrates

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Präsidentin des Bundesrates ist die Ministerpräsidentin des Saarlandes, Anke Rehlinger (SPD).

Erste Vizepräsidentin des Bundesrates ist die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD).

Zweiter Vizepräsident des Bundesrates ist der Bremer Bürgermeister, Andreas Bovenschulte (SPD).

Die erste Frau in diesem Amt war die Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft (SPD), die das Amt vom 1. November 2010 bis zum 31. Oktober 2011 ausübte.[3]

Mehrere Bundesratspräsidenten haben vor, während oder nach ihrer Amtszeit weitere bedeutende Staats- oder Parteiämter ausgeübt; eine Auswahl:

  • Der spätere Bundespräsident Johannes Rau (SPD, Bundesratspräsident 1982/1983 und 1994/1995).
  • Die späteren Bundeskanzler Willy Brandt (SPD, Bundesratspräsident 1957/1958), Kurt Georg Kiesinger (CDU, 1962/1963) und Gerhard Schröder (SPD, 1997/1998).
  • Die späteren Bundesminister Kai-Uwe von Hassel (CDU, Bundesratspräsident 1955/1956), Willy Brandt (SPD, 1957/1958), Gerhard Stoltenberg (CDU, 1977/1978), Oskar Lafontaine (SPD, 1992/1993), Hans Eichel (SPD, 1998/1999) sowie die früheren Bundesminister Franz Josef Strauß (CSU, 1983/1984), Walter Wallmann (CDU, 1987) und Björn Engholm (SPD, 1988/1989). Horst Seehofer (CSU, 2011/2012) amtierte sowohl vor, als auch nach seiner Zeit als Bundesratspräsident als Bundesminister.[4]
  • Der spätere Präsident des Deutschen Bundestages Kai-Uwe von Hassel (CDU, Bundesratspräsident 1955/1956), der somit der einzige Politiker war, der sowohl dem Bundesrat wie auch dem Bundestag als Präsident vorstand.
  • Der spätere Richter am Bundesverfassungsgericht Peter Müller (CDU, Bundesratspräsident 2008/2009).
  • Der spätere CDU-Vorsitzende Kurt Georg Kiesinger (Bundesratspräsident 1962/1963).
  • Die seinerzeitigen CSU-Vorsitzenden Franz Josef Strauß (Bundesratspräsident 1983/1984) und Horst Seehofer (2011/2012) sowie der spätere CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber (1995/1996).
  • Die späteren SPD-Vorsitzenden Willy Brandt (Bundesratspräsident 1957/1958), Björn Engholm (1988/1989), Oskar Lafontaine (1992/1993), Gerhard Schröder (1997/1998), Kurt Beck (2000/2001) und Matthias Platzeck (2004/2005).

Sieben Regierungschefs amtierten bisher zweimal als Bundesratspräsidenten:

Das Amt des Bundesratspräsidenten wurde bisher von Politikern sechs verschiedener Parteien ausgeübt:

Dreimal kam es bisher zum Wechsel eines Bundesratspräsidenten in einem laufenden Geschäftsjahr:

Gemäß der Anordnung über die deutschen Flaggen führt der Präsident des Bundesrates an Dienstkraftfahrzeugen die Bundesdienstflagge in der Größe 30 × 30 cm; die Vizepräsidenten führen diese an Dienstkraftfahrzeugen in der Größe 25 × 25 cm.[6]

Seit 1990 richtet das Land, welches die Bundesratspräsidentschaft innehat, die zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit aus. Seit 2006 werden zudem 2-Euro-Münzen mit Motiven des ausrichtenden Bundeslandes hergestellt.

Bei längeren Sitzungen des Bundesrates leitet der Präsident (und die Vizepräsidenten) häufig nicht die gesamte Sitzung, sondern delegiert das Amt nach einiger Zeit an ein anderes Mitglied des Bundesrates, das diesem dann als amtierender Präsident vorsitzt.[7]

Commons: Präsident des Bundesrates – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. Wahl des Präsidenten des Bundesrates. (PDF; 804 kB) In: Sitzungsbericht Nr. 182, 1957. Bundesrat, 6. September 1957, S. 775–776, abgerufen am 13. Januar 2017.
  2. Bodo Pieroth, in: Hans D. Jarass, Bodo Pieroth: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Kommentar. 11. Auflage. C.H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-60941-1, Artikel 57 Rn 1 und 2.
  3. Hannelore Kraft ist erste Frau an der Spitze. spiegel.de, abgerufen am 15. Oktober 2010.
  4. Seehofer zum Bundesratspräsidenten gewählt. fr.de, abgerufen am 14. Oktober 2011.
  5. Kretschmann erster grüner Bundesratspräsident. haz.de, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 6. Mai 2021; abgerufen am 12. Oktober 2012.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.haz.de
  6. Anordnung über die deutschen Flaggen vom 13. November 1996. (PDF) Bundesministerium der Justiz, 20. November 1996, abgerufen am 1. November 2024.
  7. Nachweise hierzu finden sich im Plenarprotokoll des Bundesrates sowie in den Videoaufzeichnungen der Plenarsitzungen.