Digitale Physik
Digitale Physik (auch digitale Ontologie oder digitale Philosophie) bezeichnet in der Physik und Kosmologie eine Sammlung von theoretischen Perspektiven, welche auf der Prämisse basieren, dass das Universum durch Information beschreibbar ist. Gemäß dieser Theorien kann das Universum durch den Output eines deterministischen oder probabilistischen Computerprogramms beschrieben werden.
Geschichte und Vertreter
Jeder Computer muss mit den Grundsätzen der Informationstheorie, der statistischen Mechanik, sowie der Quantenmechanik kompatibel sein. Eine grundlegende Verbindung zwischen diesen Bereichen wurde 1957 durch Edwin Thompson Jaynes in zwei Aufsätzen beschrieben.[1][2] Darüber hinaus erarbeitet Jaynes eine Interpretation der Wahrscheinlichkeitstheorie als eine generalisierte aristotelische Logik. Diese Ansicht ist sehr praktisch für die Verknüpfung der Grundlagenphysik mit digitalen Computern, da diese zur Umsetzung von Operationen aus der klassischen Logik und der Boolesche Algebra ausgelegt sind.[3]
Die Hypothese, dass das Universum ein digitaler Computer ist, wurde von Konrad Zuse 1969 in seinem Buch Rechnender Raum erstmals beschrieben. Der Begriff der digitalen Physik wurde als erstes von Edward Fredkin erwähnt, später bevorzugte er den Begriff der digitale Philosophie. Andere Autoren und Vertreter der digitalen Physik, die das Universum als einen Computer beschreiben, sind Stephen Wolfram, Jürgen Schmidhuber und Nobelpreisträger Gerard 't Hooft.[4][5][6] Diese Autoren sind der Ansicht, dass die scheinbar probabilistische Natur der Quantenphysik mit der Idee der Berechenbarkeit vereinbar ist. Natürlich ist die These, dass das Universum ein digitaler Computer sei, grundsätzlich nur als ein Gleichnis aufzufassen, um die Bedeutung des Informationsbegriffes bei der Bescheibung der physikalischen Realität zu versinnbildlichen.
Neuere Theorien, welche die digitale Physik auf Quantenebene beschreiben, wurden von Seth Lloyd, David Deutsch und Paola Zizzi publiziert.[7][8] Ähnliche Ideen sind Pancomputationalismus, die "Computational Universum-Theorie", John Archibald Wheelers "It from Bit" und Max Tegmarks "Ultimate Ensemble".
Bereits in den fünfziger Jahren entwickelte Carl Friedrich von Weizsäcker als erster den Gedanken, die Natur im Rahmen einer reinen Quantentheorie der Information zu beschreiben, was zur Quantentheorie der Ur-Alternativen führte. Im Gegensatz zu den oben erwähnten Ansätzen geht seine Theorie aber von grundlegenden erkenntnistheoretischen Überlegungen aus, in welcher die Informationseinheiten als eine bestimmte Art der Darstellung der objektiven Realität angesehen werden müssen. Zudem enthält sie als grundlegende Entitäten lediglich die Zeit mit ihrer spezifischen Struktur und die Ur-Alternativen, woraus sich die gesamte physikalische Realität erst kontituiert. Sie setzt also weder elementare räumliche Zellen noch Vertices voraus, zwischen denen Information ausgetauscht wird, und ist in diesem Sinne in ihrem physikalischen Realitätsbegriff noch grundlegender auf den reinen Informationsbegriff im Sinne der Quantentheorie bezogen.
Literatur
- Konrad Zuse: Rechnender Raum. In: Elektronische Datenverarbeitung. Band 8, 1967, S. 336–344 (PDF – Eine Einordnung).
- Konrad Zuse: Rechnender Raum (= Schriften zur Datenverarbeitung. Band 1). Vieweg, Braunschweig 1969, ISBN 3-528-09609-8.
- Carl Friedrich von Weizsäcker: Die Einheit der Natur. Studien, Hanser, München 1971, ISBN 3-446-11386-X.
- Edward Fredkin: "Digital Mechanics," Physica D 45 (1990): 254-70.
- Paul Davies: The Mind of God: The Scientific Basis for a Rational World. New York: Simon & Schuster, 1992.
- John Archibald Wheeler: "Information, physics, quantum: The search for links" in W. Zurek (ed.) Complexity, Entropy, and the Physics of Information. Addison-Wesley. 1990.
- David Deutsch: The Fabric of Reality. New York: Allan Lane, 1997.
- John Archibald Wheeler und Kenneth Ford: Geons, black holes and quantum foam: A life in physics. W. W. Norton. ISBN 0-393-04642-7. 1998.
- Stephen Wolfram: A New Kind of Science. Wolfram Media Inc., Champaign Ill 2002. ISBN 1-57955-008-8.
- Seth Lloyd: Programming the Universe: A Quantum Computer Scientist Takes On the Cosmos, Alfred A. Knopf, New York 2006, ISBN 1400040922
- Hector Zenil (ed.), 2012. A Computable Universe: Understanding and Exploring Nature As Computation with a Foreword by Sir Roger Penrose. Singapore: World Scientific Publishing Company.
- Michael Eldred: The Digital Cast of Being: Metaphysics, Mathematics, Cartesianism, Cybernetics, Capitalism, Communication ontos, Frankfurt 2009, 137 pp. ISBN 978-3-86838-045-3
- Igor L. Markov: Limits on fundamental limits to computation. In: Nature. 512, 2014, S. 147, doi:10.1038/nature13570.
Einzelnachweise
- ↑ E. T. Jaynes: Information Theory and Statistical Mechanics. In: Physical Review. 106, 1957, S. 620, doi:10.1103/PhysRev.106.620.
- ↑ E. T. Jaynes: Information Theory and Statistical Mechanics. II. In: Physical Review. 108, 1957, S. 171, doi:10.1103/PhysRev.108.171.
- ↑ Jaynes, E. T., 1990, "Probability Theory as Logic," in Fougere, P.F., ed., Maximum-Entropy and Bayesian Methods. Boston: Kluwer.
- ↑ A New Kind of Science website. Reviews of ANKS.
- ↑ Schmidhuber, J., "Computer Universes and an Algorithmic Theory of Everything"; arXiv:1501.01373.
- ↑ G. 't Hooft, 1999, "Quantum Gravity as a Dissipative Deterministic System," Class. Quant. Grav. 16: 3263–79; On discrete physics and a list of 't Hooft's recent works.
- ↑ Lloyd, S., "The Computational Universe: Quantum gravity from quantum computation."
- ↑ Zizzi, Paola, "Spacetime at the Planck Scale: The Quantum Computer View."