Kurpfalz

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Territorium im Heiligen Römischen Reich
Kurpfalz
Wappen
Alternativnamen Rheinische Pfalzgrafschaft, Kurfürstentum, Churpfalz, Pfalzgrafschaft bei Rhein
Entstanden aus im 14. Jahrhundert aus Amt des Pfalzgrafen entstanden
Herrschaftsform Herzogtum ohne Titel, Kurfürstentum
Herrscher/
Regierung
Kurfürst
Reichstag Kurfürstenbank, Kurfürstenrat
Reichskreis Kurrhein
Kreistag Kreisobrist
Hauptstädte/
Residenzen
Heidelberg,
Düsseldorf,
Mannheim,
Neustadt an der Weinstraße,
Weinheim,
Amberg,

Sommerresidenz: Schwetzingen

Dynastien Wigeriche, Askanier, Calw, Salm, Babenberger, Stahleck, Welfen, Wittelsbacher
Konfession/
Religionen
seit 1556 offiziell lutherisch, 1563 calvinistisch, seit 1692 Obrigkeit römisch-katholisch aber Bevölkerung weiterhin überwiegend reformiert (Pfälzische Kirchenteilung), kleine mennonitische und jüdische Minderheiten
Sprache/n Deutsch
Aufgegangen in Kurpfalz-Bayern 1777

Kurpfalz steht im heutigen Sprachgebrauch in verengender Bedeutung für die Region Kurpfalz, d.h. die ehemals pfälzischen Gebiete um Heidelberg und Mannheim.

Historisch ist Kurpfalz (in alten Quellen Churpfalz = „Wahlpfalz“; staatsrechtlich korrekte Bezeichnung: Rheinische Pfalzgrafschaft oder Pfalzgrafschaft bei Rhein) die Bezeichnung für ein bis 1803 bestehendes Territorium des Alten Reiches mit der Residenzstadt Heidelberg, später Mannheim. Es entwickelte sich aus der rheinisch-lothringischen Pfalzgrafschaft und lag seit dem Hochmittelalter im Bereich des mittleren Oberrheins. Die Kurpfalz war kein geografisch oder landsmannschaftlich klar abgegrenztes Gebiet, sondern ein „Flickenteppich“. Das Kerngebiet erstreckte sich auf beiden Seiten des Rheins vom Hunsrück im Nordwesten bis zum Ostabhang des Odenwalds bei Mosbach und den südlichen Kraichgau-Gebieten um Bretten, Knittlingen und dem Kloster Maulbronn.

Herrscher der Kurpfalz waren die Pfalzgrafen bei Rhein, die seit dem 12. Jahrhundert, spätestens 1198, zu den Kurfürsten des Reichs zählten. Seit der gleichen Zeit stand dem Pfalzgrafen bei Rhein auch das Amt des Erztruchsess des Reichs und das Reichsvikariat für die rheinischen Lande und die Gebiete fränkischen und schwäbischen Rechts und damit für den Westen des Reiches zu. In der Goldenen Bulle wurde die Stellung des Pfalzgrafen bei Rhein als einer der sieben Königswähler festgelegt.

Die Kurpfalz zählte zu den bedeutendsten weltlichen Territorien des Alten Reichs. Im konfessionellen Zeitalter stieg die Kurpfalz zu einer der aktivsten und führenden protestantischen Mächte im Reich auf. Kurfürst Friedrich V. erreichte als der Winterkönig sogar kurzzeitig die böhmische Königskrone. Sein gescheitertes „böhmisches Abenteuer“ löste den Dreißigjährigen Krieg aus, was auch den Wendepunkt der Geschichte der Kurpfalz markiert. Sie geriet für Jahrzehnte unter fremde Herrschaft und wurde als häufiger Kriegsschauplatz immer wieder geplündert und entvölkert. Die angestammte Herrschaft der Pfälzer Wittelsbacher wurde zwar im Westfälischen Frieden 1648 wiederhergestellt, das Territorium konnte aber an seine frühere Bedeutung nicht anknüpfen. Eine erneute schwere Belastung für das Land waren die Eroberungsfeldzüge Ludwigs XIV. von Frankreich im Zuge seiner Reunionspolitik, insbesondere der Pfälzische Erbfolgekrieg 1688 bis 1697. Infolge des Reichsdeputationshauptschlusses endete die Existenz der Kurpfalz, ihre Gebiete wurden aufgeteilt. Ehemals kurpfälzische Gebiete liegen heute in den deutschen Ländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen, Bayern (Obere Pfalz = Oberpfalz), Saarland sowie der heute zu Frankreich gehörenden Region Elsass.

Von Kurpfalz lässt sich sinnvollerweise erst seit der Landesteilung von 1410 sprechen, als die Pfalz aufgeteilt wurde in ein bei der Kurlinie verbleibendes Gebiet, das zur Unterscheidung kurfürstliche Pfalz oder Kurpfalz genannt wurde, und drei Nebenländer.

Geschichte

Lothringische Pfalzgrafen

Die Wahl des deutschen Königs, dargestellt in einer Handschrift des Sachsenspiegels um 1300. In der Mitte die drei weltlichen Kurfürsten. Der Pfalzgraf bei Rhein überreicht als Truchsess eine goldene Schüssel, dahinter der Herzog von Sachsen mit dem Marschallsstab und der Markgraf von Brandenburg, der als Kämmerer eine Schüssel mit warmem Wasser bringt.

Am Beginn der Geschichte der Kurpfalz stand nicht ein Territorium oder ein Volksstamm, sondern ein Amt, nämlich das aus der Merowingerzeit stammende Amt des Pfalzgrafen, das um 535 mit Trudulf unter König Childebert I. erstmals erwähnt wurde. Damit war es das älteste durchgängig nachweisbare Pfalzgrafenamt. Der Schwerpunkt lag bis ins 10. Jahrhundert um die Königspfalz zu Aachen am Hof der fränkischen Könige. Im Sachsenspiegel ist rückblickend davon die Rede, dass Franken, Bayern, Schwaben, Sachsen und Lothringen jeweils einen Pfalzgrafen hatten. Während bayerische, schwäbische und sächsische Pfalzgrafen im Verlauf des Mittelalters an Bedeutung verloren, lässt sich ein fränkischer Pfalzgraf zu keiner Zeit nachweisen. Stattdessen gab es schon seit der Merowingerzeit einen Pfalzgrafen bzw. ein Stammesherzogtum im lothringischen Bereich. Die erste genauer fassbare Familie, aus der lothringische Pfalzgrafen stammten, waren von 985 bis 1085 die Ezzonen, die im Amt vermutlich den Konradinern folgten. Unter Hermann I. wurde die Pfalzgrafenwürde bei Rhein erblich. Der Amtsschwerpunkt lag zu dieser Zeit in der Eifel. In der Folgezeit führten Auseinandersetzungen mit den Erzbischöfen von Köln zu einer Verdrängung in Richtung Südosten über die Moselgegend um Laach und den Oberrhein bei Alzey bis nach Heidelberg.

Pfalzgrafen bei Rhein

Als Erben traten bis 1156 Personen aus verschiedenen Adelsfamilien auf. Heinrich II. von Laach war 1085 der erste, der sich Pfalzgraf bei Rhein nannte. Besonders der Kampf von Hermann von Stahleck mit Otto I. von Salm um die Pfalzgrafschaft hatte territoriale Folgen im Gebiet Eifel und Untermosel. Die Übertragung der Pfalzgrafenwürde 1156 an Konrad den Staufer, Halbbruder von Friedrich Barbarossa, führte nochmals zu einer Stärkung der pfalzgräflichen Position. Konrad gilt mithin als Gründer der künftigen Residenzstadt Heidelberg, die urkundlich erstmals 1196 erwähnt wurde. Zur Festigung der staufischen Stellung kam das salische Erbe am Donnersberg, im Nahegau, an der Haardt, der Bergstraße und im Kraichgau zum Gebiet der Pfalzgrafschaft. Pfalzgraf Konrad brachte aus mütterlichem Erbe die Hochstiftsvogtei Worms und aus dem Erbe seines Schwiegervaters die Vogtei über das Kloster Lorsch ein. Die Siedlung Heidelberg erhielt nach Bacharach eine zentrale Funktion. Ende des 12. Jahrhunderts heiratete Konrads Tochter Agnes heimlich Heinrich den Älteren von Braunschweig aus der verfeindeten Familie der Welfen. Damit gelangte die Pfalzgrafschaft 1195 im Erbgang an die Welfen. Während ihrer Herrschaft gab es neben Gebietsverlusten auch einen erheblichen Machtverlust durch die Rückgabe der Obervogtei über die Trierer Kirche. Nachdem Heinrichs gleichnamiger Sohn 1211 die Nachfolge angetreten hatte und 1214 ohne direkte Nachkommen gestorben war, konnte Kaiser Friedrich II. die Pfalzgrafschaft neu vergeben.

Aufstieg der Wittelsbacher bis zur Landesteilung 1410

Territorialbestand der Pfalzgrafschaft im Jahr 1329 nach dem wittelsbachischen Hausvertrag von Pavia (ohne die Oberpfalz)
Ruprecht III. von der Pfalz, Römisch-deutscher König von 1400 bis 1410 sowie Pfalzgraf und Kurfürst von 1398 bis 1410
Karte der Kurpfalz (ohne Oberpfalz) vor der Erbteilung 1410.
  • Gebiet der Kurpfalz
  • Reichspfandschaften
  • Kondominia (gemeinsame Herrschaften mit anderen Landesherren) sind schraffiert

    1214 wurde Ludwig der Kelheimer als Erster aus dem Geschlecht der Wittelsbacher mit der Pfalzgrafschaft bei Rhein belehnt. Die verschiedenen Zweige der Familie blieben bis 1918 im Besitz der pfälzischen Territorien. 1329 kam durch die Trennung der Wittelsbacher in die ältere Linie Pfalz und die neuere Linie Bayern (Hausvertrag von Pavia) der Nordgau, der fortan als die Obere Pfalz (Oberpfalz) bezeichnet wurde, als Gebiet hinzu. Mindestens seit 1198 hatten die Pfalzgrafen bei Rhein die Kurwürde inne, d. h. sie durften den Kaiser mitwählen; mit der schriftlichen Fixierung der sieben Kurfürsten 1356 in der Goldenen Bulle erhielten sie dauerhaft eine herausragende Stellung im Reich. Dabei wurde ihnen zudem das Amt des Reichsvikars für die Gebiete fränkischen und schwäbischen Rechts und das des Erztruchsessen des Reichs übertragen. In dieser Zeit wurde die Bezeichnung Kurpfalz allmählich zum Namen für die Territorien des Kurfürsten von der Pfalz bzw. für Länder mit ihm verwandter Nebenlinien. Ursprünglich war im wittelsbachischen Hausvertrag von Pavia die Rede davon, dass die Kurwürde zwischen der Pfalz und Bayern wechseln sollte. Die Goldene Bulle teilte die Kurwürde jedoch ausschließlich dem Pfalzgrafen zu und Bayern ging leer aus, was zu einem latenten Dauerkonflikt zwischen den beiden wittelsbachischen Linien führte, der sich erst 1777 mit der Vereinigung aller wittelsbachischen Lande löste. Die Zuteilung der Kurwürde hatte auch zur Folge, dass im Kurpräzipuum diejenigen Landesteile, die nicht weiter aufgeteilt oder veräußert werden durften, festgelegt wurden. Dazu gehörten Bacharach, Kaub, Alzey, Neustadt, Weinheim, Lindenfels, Heidelberg und der Dilsberg, sowie in der Oberpfalz Amberg, Nabburg und Kemnath. 1386 erwarb Kurfürst Ruprecht I. Zweibrücken, Mosbach und Simmern. Seine Gründung der Universität Heidelberg im selben Jahr als dritte Universität auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches (nach Prag 1348 und Wien 1365) unterstrich auch den kulturellen Anspruch der Kurpfalz; sie zählte zu den bedeutendsten weltlichen Territorien des Alten Reichs, was sich unter anderem daran zeigte, dass Kurfürst Ruprecht III. im Jahr 1400 römisch-deutscher König wurde.

    Territoriale Entwicklung bis zum Landshuter Erbfolgekrieg 1505

    Kurfürst Friedrich I. von der Pfalz, „der Siegreiche“, betrieb 1451–1476 eine erfolgreiche Eroberungspolitik, Gemälde von Albrecht Altdorfer

    Nach dem Tod Ruprechts 1410 wurde die Pfalz in die Linien geteilt, die während des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit Bestand hatten: Kurpfalz, Pfalz-Neumarkt (bis 1448), Pfalz-Simmern (im Mannesstamm erloschen 1685) und Pfalz-Mosbach (bis 1499).

    Territoriale Ausdehnung der Kurpfalz (ohne Oberpfalz) nach 1505
  • Gebiet der Kurpfalz nach dem Kölner Schiedsspruch von 1505
  • Verluste im Landshuter Erbfolgekrieg 1504/05
  • Im 15. Jahrhundert gelang es den Pfälzer Kurfürsten, ihr Herrschaftsgebiet am Mittel- und Oberrhein deutlich auszuweiten und zu konsolidieren. Zunächst geschah dies überwiegend auf friedliche Weise durch Erwerb von Reichspfandschaften. Später kam es insbesondere unter Kurfürst Friedrich I. „dem Siegreichen“ zu einer Politik der militärischen Eroberungen, die sich vor allem gegen die unmittelbaren Nachbargebiete Kurmainz, die Grafschaft Württemberg, die Markgrafschaft Baden, besonders aber auch gegen seinen herzoglichen Verwandten Ludwig I. von Pfalz-Zweibrücken richtete. In der Lützelsteiner Fehde fügte er 1450 die gleichnamige Grafschaft seinem Territorium hinzu; in der Mainzer Stiftsfehde siegte er gegen die Koalition seiner Gegner – in der Schlacht von Pfeddersheim 1460 und erneut in der Schlacht von Seckenheim 1462. Obwohl sich Kurfürst Friedrich I. durch seine Politik die Feindschaft Kaiser Friedrichs III. und 1474 sogar die Reichsacht zuzog, war er als Territorialherr sehr erfolgreich, und das kurpfälzische Territorium erreichte unter ihm seine größte Ausdehnung. Nach seinem Tode scheiterte sein Neffe Philipp „der Aufrichtige“ (Kurfürst von 1476 bis 1505) mit dem Versuch, diese Expansionspolitik fortzusetzen. Im Landshuter Erbfolgekrieg 1504/1505 kam es zu einer großen Koalition der Gegner des Kurfürsten, wobei die Pfalz und die Oberpfalz durch Kriegszüge erheblich verwüstet wurden. Infolge des Krieges gingen die elsässischen Besitzungen größtenteils an die Habsburger und weitere Gebiete an Hessen und Württemberg verloren.

    Die Kurpfalz in den Anfängen der Reformationszeit

    Nach der schweren Niederlage im Landshuter Erbfolgekrieg konzentrierten sich die Nachfolger Philipps des Aufrichtigen zunächst auf den Wiederaufbau des erheblich verwüsteten Landes. Die Kurpfalz zählte im Heiligen Römischen Reich zu den wohlhabenderen Gebieten, vor allem aufgrund ihrer fruchtbaren Böden, die den Weinanbau erlaubten. Es etablierte sich auch frühzeitig eine verhältnismäßig effiziente Verwaltung, mit dem Rat bzw. später dem Oberrat in Heidelberg als zentralem Regierungsorgan. Eine Erschütterung erlebte das Land durch den Pfälzischen Ritteraufstand unter Franz von Sickingen 1522/23 und den großen Bauernkrieg 1524/25. Obwohl Kurfürst Ludwig V. die aufständischen Bauern in der Schlacht bei Pfeddernheim 1525 vernichtend geschlagen hatte, ließ er maßgeblich auf Anraten Philipp Melanchthons Milde gegenüber den Bauern walten, um so schnell wie möglich wieder zu geordneten Verhältnissen zu kommen. Auch sonst bemühte sich Ludwig V. um eine ausgleichende Politik im Reich, insbesondere hinsichtlich der konfessionellen Gegensätze zwischen den Anhängern Martin Luthers und dessen Gegnern. Äußerlich blieb er dem alten katholischen Glauben verpflichtet, was möglicherweise auch taktische Gründe hatte, da mehrere seiner Brüder wichtige Positionen (zum Teil als Fürstbischöfe) in der Reichskirche innehatten. Er unternahm keine wesentlichen Schritte gegen die Ausbreitung der Reformation in seinen Ländern. Auch sein Nachfolger Friedrich II. (Kurfürst 1544–56) blieb formell katholisch, zeigte aber seine Neigung zur evangelischen Konfession öffentlich ab 1545 durch die Einnahme des Abendmahls nach evangelischem Ritus. Er förderte an der Universität Heidelberg reformationswillige Professoren und begünstigte evangelische Glaubensflüchtlinge.

    Pfalzgraf Ottheinrich (Gemälde von Georg Pencz, zwischen 1530 und 1545)
    Kurfürst Friedrich III. (unbekannter Künstler, ca. 1560–70)

    Erst unter Ottheinrich (Kurfürst von 1556 bis 1559) erfolgte der Übergang zur lutherischen Lehre. Die Kurpfalz vollzog damit als letztes der großen weltlichen Territorien des Reiches diesen Schritt. Die Heidelberger Universität wurde von Ottheinrich im reformatorischen Sinne umgestaltet und reich mit den Buchbeständen aus den aufgelösten Klöstern ausgestattet. Ottheinrich selbst war ein tiefgläubiger, wenn auch theologisch nicht besonders gebildeter Lutheraner und verfolgte auch im Reich eine aktive Politik im protestantischen Interesse. Insbesondere war er um die Revision des Geistlichen Vorbehalts des Augsburger Religionsfriedens von 1555 bemüht.

    Übergang zum Calvinismus

    Mit Ottheinrichs Tod 1559 starb die ältere Linie der pfälzischen Wittelsbacher aus und die wittelsbachische Nebenlinie Pfalz-Simmern kam mit Kurfürst Friedrich III. an die Herrschaft. Auch er war seit 1546 ein Anhänger der lutherischen Lehre. Ab 1559/60 wandte er sich jedoch zunehmend dem Calvinismus zu. Auf sein Betreiben hin wurden der Abendmahlsritus geändert und die pfälzische Kirchenordnung im Sinne der calvinistischen Lehre umgestaltet. 1563 wurde der Heidelberger Katechismus veröffentlicht, als dessen Hauptverfasser der aus Zürich berufene Zacharias Ursinus gilt. Damit wurde eine eigenständige, spezifisch kurpfälzische Variante des Reformiertentums geschaffen. Ein wesentlicher Unterschied zur Genfer Tradition ist das Fehlen der Prädestinationslehre.

    Durch die Einführung des Calvinismus kam es zu einer weitgehenden politischen Isolierung der Kurpfalz im Heiligen Römischen Reich. Der Calvinismus konnte im Reich nur in wenigen Territorien Fuß fassen, so in Ostfriesland, in der Landgrafschaft Hessen und in Anhalt. Im norddeutschen Raum und in den meisten Reichsstädten dominierten die Lutheraner und in Süddeutschland die Katholiken. Die Calvinisten waren nicht durch die Bestimmungen des Augsburger Religionsfriedens von 1555 geschützt, der sich ausdrücklich nur auf die lutherische Konfession bezog. Die Lutheraner lehnten die Calvinisten häufig genau so vehement ab wie die Katholiken. Die pfälzischen Kurfürsten versuchten daher internationale Verbindungen zu anderen calvinistischen Mächten zu knüpfen, namentlich zu den Niederlanden, den französischen Protestanten, der Schweiz und Schottland. Außerdem versuchte Kurfürst Friedrich III. die Unterschiede zu den Lutheranern herunterzuspielen und bestritt öffentlich, eine calvinistische Religionspolitik zu verfolgen. Insgesamt vertrat er eine aktive Politik der Unterstützung der Reformierten gegenüber der katholischen Gegenreformation und warb beispielsweise im Reich für die Unterstützung der verfolgten Hugenotten und der Niederländer gegen die Spanier. Mehrfach zogen pfälzische Truppen zur Unterstützung der Niederländer in Richtung Frankreich und in die Niederlande. Die Pfalz wurde zum Zufluchtsort für Glaubensflüchtlinge aus ganz Europa. Die Universität Heidelberg wurde in eine reformierte Universität umgewandelt (die einzige auf deutschem Boden) und zog Studenten aus allen reformierten Ländern Europas an. In der Bevölkerung zeigte sich das Luthertum in weiten Bevölkerungsschichten tief verwurzelt, so dass die vollständige Durchsetzung der reformierten Konfession nicht gelang und erhebliche lutherische Minderheiten verblieben. In der Oberpfalz gelang die Einführung der calvinistischen Lehre gar nicht; sie blieb streng lutherisch.

    Heidelberger Schloss mit Pfalzgarten 1620

    Unter Ludwig VI. (Kurfürst 1576–83) kam es zu einer kurz andauernden Restauration des Luthertums, das aber unter der Herrschaft Johann Casimirs (Kurfürst 1583–92) und Friedrichs IV. (Kurfürst 1592–1610) wieder von der reformierten Konfession abgelöst wurde. Zahlreiche reformierte Religionsflüchtlinge kamen ins Land und brachten neue Fertigkeiten wie Tuchweberei, Malerei, Gold- und Silberschmiedekunst mit. Frankenthal, Otterberg und das seit 1607 systematisch als Festungsstadt ausgebaute Mannheim waren Zentren dieser Ansiedlungen.

    Die Kurpfalz im Dreißigjährigen Krieg

    Friedrich V. von der Pfalz, der böhmische „Winterkönig
    Historischer Grundriss von Mannheim 1620
    Heidelberger Schloss

    In den Jahren vor dem Dreißigjährigen Krieg bestimmte Fürst Christian I. von Anhalt-Bernburg maßgeblich die kurpfälzische Politik. Er versuchte, der Kurpfalz eine führende Rolle in einer antikatholisch-antihabsburgischen Allianz zu verschaffen. Dadurch geriet das Land auch in Gegensatz zum lutherischen Kursachsen, das die Führungsrolle im Lager der evangelischen Reichsfürsten ebenfalls beanspruchte, sich jedoch als betont kaisertreu verstand. 1608 erfolgte nach der Besetzung der mehrheitlich evangelischen freien Reichsstadt Donauwörth durch das katholische Bayern die Gründung der Protestantischen Union unter führender Beteiligung der Kurpfalz. Eine erste schwere internationale Krise gab es im Rahmen des Jülich-Klevischen Erbfolgestreits 1608–14. Den Ausbruch eines internationalen Krieges unter Beteiligung Spaniens und Frankreichs verhinderte letztlich die Ermordung des französischen Königs Heinrich IV. 1610. 1618 kam es doch zum großen Krieg, nachdem die mehrheitlich protestantischen Stände des Königreichs Böhmen gegen die habsburgisch-katholische Herrschaft rebelliert und mehreren protestantischen Fürsten die böhmische Königskrone angeboten hatten. Kurfürst Friedrich V. nahm das Angebot an, zog nach Prag und ließ sich auf dem Hradschin krönen. Er zeigte sich aber den politisch-militärischen Herausforderungen nicht gewachsen und wurde in der Schlacht am Weißen Berg 1620 von den Truppen der Katholischen Liga besiegt. Die evangelischen Reichsfürsten hatten ihm für das böhmische Abenteuer die Hilfe verweigert. Der Führer der Katholischen Liga, Herzog Maximilian von Bayern, hatte sich in einem Geheimvertrag als Gegenleistung für seine Militärhilfe von Kaiser Ferdinand II. die Übertragung der pfälzischen Kurwürde auf Bayern zusichern lassen. Über Friedrich V. wurde 1621 die Reichsacht verhängt. Maximilian von Bayern besetzte die Oberpfalz und begann dort mit der Einführung der Gegenreformation. Die Kurpfalz wurde durch spanische Truppen unter General Ambrosio Spinola und bayerische unter Tilly bis Ende 1623 gegen den Widerstand der Truppen der Protestantischen Union erobert. Die Eroberung Heidelbergs durch Tilly ist vor allem durch den Kunstraub der Bibliotheca Palatina, der kurpfälzischen Büchersammlung, in Erinnerung geblieben. Die Bibliothek, die damals europaweit berühmt war und etwa 8000 Bände umfasste, wurde dem Papst zum Geschenk gemacht und in 184 Kisten auf 50 Frachtwagen verpackt nach Rom verbracht. Nach der Eroberung folgte eine Politik der gewaltsamen Rekatholisierung, insbesondere unter der bayerischen Besatzung.

    Eine Kriegswende deutete sich 1630 nach der Landung König Gustavs II. Adolf von Schweden an der pommerschen Ostseeküste und dessen entscheidendem Sieg über Tilly in der Schlacht bei Breitenfeld (1631) an. Die schwedischen Truppen stießen danach weiter nach Süden vor. Gustav II. Adolf nahm 1631/32 sein Winterquartier im eroberten Mainz und seine Truppen drangen von dort weiter in die Rheinebene vor. Im Verlauf des Jahres 1632 gelang die Eroberung der Kurpfalz. Heidelberg und Mannheim wurden 1632 besetzt, wobei die Einnahme von Mannheim deshalb gelang, weil die Bevölkerung die bayerischen Wachen überwältigt hatte. Auch andernorts unterstützte der Großteil der lokalen Bevölkerung das Vordringen der Schweden. Eine erneute Kriegswende war die schwere Niederlage der schwedischen und verbündeten evangelischen Truppen in der Schlacht bei Nördlingen 1634. Die Schweden zogen sich aus der Kurpfalz zurück und es folgten kaiserliche und bayerische Truppen, die das Land erneut ausplünderten. 1635 waren Heidelberg, Mannheim, Philippsburg und Frankenthal wieder in den Händen der Kaiserlichen bzw. der Bayern. 1635 begannen auch französische Truppen auf kurpfälzisches Gebiet vorzudringen.

    Als 1648 der Krieg endete, hinterließ er ein verwüstetes Land. Die Kurpfalz war eines der vom Krieg am schwersten betroffenen Gebiete und hatte annähernd die Hälfte der Bevölkerung verloren. Im Westfälischen Frieden erhielt der pfälzische Kurfürst nicht die bisherige Kurwürde zurück, die mit dem Amt des Reichsvikars und des Erztruchsessenamts verbunden gewesen war: Sie verblieb bei Bayern. Für die Pfalz wurde in der Causa palatina eine neue, achte Kurwürde geschaffen, die mit einem neu geschaffenen Erzamt, dem des Erzschatzmeisters, verbunden war. Rangmäßig war dies jedoch ein Abstieg, die Pfalzgrafen rutschten dadurch in der Rangfolge der weltlichen Kurämter vom ersten auf den letzten Platz. Schwer wog auch der Verlust der Oberpfalz an Bayern, die vor dem Krieg erhebliche Überschüsse, vor allem aus dem Bergbau, erwirtschaftet hatte (zu den Hintergründen: Ruhrgebiet des Mittelalters). Ein gewisser Erfolg war allerdings, dass auch die calvinistische Konfession im Westfälischen Frieden als prinzipiell gleichberechtigt neben den Lutheranern und Katholiken anerkannt wurde.

    Die Kurpfalz in den Kriegen Ludwigs XIV. 1648–1714

    Kurfürst Karl Ludwig (1649–1680) konzentrierte sich nach dem Krieg auf den Wiederaufbau des zerstörten Landes und die Konsolidierung der zerrütteten Finanzen. Er bemühte sich um die Wiederbesiedlung der verwüsteten Landstriche und ließ in ganz Europa Siedler anwerben. Durch das Versprechen religiöser Toleranz kamen verfolgte religiöse Minderheiten aus ganz Europa, Sozinianer aus Polen, Hutterer aus Mähren, Mennoniten aus der Schweiz und Sabbatarier aus England. Auch die Juden wurden wieder zugelassen. Zusätzlich kamen Reformierte aus den Niederlanden, der Schweiz und Frankreich sowie Lutheraner und Katholiken aus den umliegenden Gebieten. Dadurch verlor die Kurpfalz ihren religiös einheitlichen Charakter, wenn auch die Reformierten weiterhin dominierten. Die Einwanderer brachten vielfach neue Fertigkeiten mit, die dem wirtschaftlichen Wiederaufbau zugutekamen. Außenpolitisch betrieb der Kurfürst eine vorsichtige Politik zwischen dem Kaiser einerseits und Frankreich andererseits. Seine Tochter Liselotte von der Pfalz verheiratete er 1671 mit dem Herzog von Orléans, dem verwitweten Bruder König Ludwigs XIV. von Frankreich, in der Hoffnung, dadurch gute Beziehungen mit Frankreich gewährleisten zu können.

    Zeitgenössischer Druck zur Zerstörung Heidelbergs im Pfälzischen Erbfolgekrieg 1693

    Trotz der Neutralitätspolitik des Kurfürsten erreichte 1674 der Krieg die Pfalz erneut. Französische Truppen unter Turenne verheerten im Holländischen Krieg das rechts- und linksrheinische Gebiet. Ab 1669 nahm die französische Politik eine für die Kurpfalz bedrohliche Form an. Im Rahmen der Reunionspolitik wurden linksrheinische Gebiete unter fadenscheinigen Begründungen nach und nach von Frankreich annektiert. Nach dem Tod Karl Ludwigs 1680 wurde dessen einziger und kränklicher Sohn Karl II. Kurfürst. Dieser setzte die Politik der Aufnahme von Glaubensflüchtlingen in der Pfalz fort. Als sich kurz nach Regierungsantritt abzeichnete, dass er aufgrund schwerer Krankheit nicht mehr lange leben und keinen erbberechtigten Sohn haben würde, wurde absehbar, dass Philipp Wilhelm, Herzog der Linie Pfalz-Neuburg, sein Erbe antreten würde. Diese Linie hielt auch die rheinischen Herzogtümer Jülich und Berg. Dies bedeutete die Regentschaft eines katholischen Fürstenhauses in der Pfalz. Der sterbende Kurfürst versuchte noch im sogenannten Schwäbisch Haller Rezess die Zukunft der reformierten Konfession in der Pfalz zu sichern, kam aber vor seinem frühen Tod im Jahr 1685 nicht mehr dazu, klare rechtliche Verhältnisse zu schaffen.

    Das Aussterben des Kurpfälzer Fürstenhauses 1685 hatte zwei schwerwiegende Folgen: zum einen kam es durch den Regierungsantritt des katholischen Fürstenhauses Pfalz-Neuburg erneut zu langwierigen Religionsstreitigkeiten, zum anderen meldete Ludwig XIV. von Frankreich Erbansprüche auf die Pfalz an. Liselotte von der Pfalz hatte bei ihrer Eheschließung zwar ausdrücklich auf jegliche Erbrechte verzichtet, dies zählte angesichts der realpolitischen Möglichkeiten jedoch nicht mehr. Der ausbrechende Pfälzische Erbfolgekrieg (1688–1697) wurde mit bis dahin nicht gekannter Radikalität geführt. Ab 1688 drangen französische Truppen in die Pfalz ein und besetzten das Land. Nachdem sie durch Reichstruppen langsam zurückgedrängt wurden, begannen sie mit der vollständigen Verwüstung der besetzten Gebiete. Dies entsprach einem Plan des französischen Generalquartiermeisters Jules Louis Bolé de Chamlay. Dieser sah die vollständige Zerstörung aller pfälzischen Städte vor, um vor der französischen Grenze einen etwa 100 km breiten Streifen zu schaffen, in dem keine befestigten menschlichen Ansiedlungen mehr möglich sein sollten. Berühmt-berüchtigt wurde der Befehl Brûlez le Palatinatbrennt die Pfalz nieder!, der vor allem durch den General Ezéchiel de Mélac systematisch exekutiert wurde. 1688/89 gingen das württembergische Heilbronn, Heidelberg, Mannheim, Philippsburg und die badische Residenz Pforzheim in Flammen auf, die Reichsstädte Worms und Speyer wurden verwüstet und das Heidelberger Schloss wurde am 16. Februar 1689 gesprengt. 1693 wurde Heidelberg erneut schwer zerstört. Letztlich konnte Ludwig XIV. seine Ziele nicht erreichen, und die Kurpfalz wahrte ihre Selbstständigkeit. Nur vier Jahre nach Kriegsende 1697 brach aber erneut ein großer Krieg aus und die die Pfalz wurde wieder zum Kriegsschauplatz im Spanischen Erbfolgekrieg (1701–1714), war aber diesmal bei weitem nicht so schwer betroffen. Wegen der nicht enden wollenden Kriegsgräuel entschlossen sich in diesen Jahren Zehntausende von Pfälzern zur Emigration, u.a. nach Nordamerika und nach Preußen.

    Die Mannheimer Jesuitenkirche, erbaut 1738–1760, steht symbolhaft für die von der kurfürstlichen Obrigkeit nach 1685 begünstigte Gegenreformation

    Die seit 1685 in der Kurpfalz regierende katholische Dynastie Pfalz-Neuburg agierte zunächst vorsichtig in dem überwiegend reformierten Land und bestätigte offiziell die Rechte der Reformierten. Die Franzosen, die das Land besetzt hielten, betrieben jedoch eine unverhohlene Rekatholisierungspolitik. Evangelisches Kirchengut wurde an die Katholiken übergeben und die katholische Kirche wo nur möglich gefördert. Im Frieden von Rijswijk, der 1697 den Pfälzischen Erbfolgekrieg beendete, versuchte Frankreich, die Ergebnisse dieser Politik über die Zeit der Besetzung hinaus festzuschreiben. Die Katholiken sollten das unter französischer Besatzung erhaltene Kirchengut behalten dürfen. Kurfürst Johann Wilhelm (Kurfürst 1690–1716) forcierte unter anderem unter Berufung auf diese Klausel eine Rekatholisierung der Kurpfalz. 1698 erging eine Verordnung, dass die reformierten Kirchen an allen Orten, an denen Katholiken wohnten, auch durch diese genutzt werden durften. Nichtkatholiken sollten in Zukunft bei katholischen Prozessionen den Hut abnehmen und vor der Monstranz niederknien. Die Protestanten wehrten sich gegen diese Maßnahmen, und auf Druck der evangelischen Reichsstände, namentlich Brandenburg-Preußens, wurden diese zum Teil wieder abgemildert. Als im Laufe des Spanischen Erbfolgekrieges die Rückgewinnung der im Dreißigjährigen Krieg an Bayern verlorenen Kurwürde und der Oberpfalz wieder in greifbare Nähe zu rücken schien (Herzog Maximilian II. Emanuel von Bayern hatte sich auf Seiten Frankreichs gegen den Kaiser gestellt und war besiegt, über ihn war die Reichsacht verhängt und er war aus seinem Land vertrieben worden), sah sich der Kurfürst zu einer konzilianteren Haltung gegenüber den Protestanten in seinem Land veranlasst, da er die Unterstützung der evangelischen Reichsstände für die Rückgewinnung der Kurwürde benötigte. 1705 sicherte er in einer Religionsdeklaration den drei großen Konfessionen (Reformierte, Lutheraner und Katholiken) Gewissens- und Bekenntnisfreiheit zu. In der Pfälzischen Kirchenteilung von 1705 wurden die Kirchen in der Kurpfalz zwischen den Reformierten und den Katholiken aufgeteilt. Viele Simultankirchen blieben bestehen, so dass die Kurpfalz zum Land der Simultankirchen wurde. Allerdings blieb im ganzen 18. Jahrhundert die Begünstigung der katholischen Konfession eine Konstante in der kurfürstlichen Politik. In Heidelberg wurde 1712 die Jesuitenkirche geweiht und 1715–17 ein Jesuitengymnasium erbaut, in Mannheim wurde zwischen 1738 und 1760 ebenfalls eine Jesuitenkirche erbaut.

    1708 schien der pfälzische Kurfürst seinem Ziel nahe, als ihm durch Reichstagsbeschluss die alte pfälzische Kurwürde von Bayern wieder übertragen wurde. 1711 übte er auch wieder das Reichvikariat aus. Er trat daraufhin das Erzschatzmeisteramt an das neu geschaffene Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg ab. Allerdings scheiterten alle kurpfälzischen Hoffnungen auf eine Rangerhöhung, nachdem die Niederlande und Großbritannien 1713 aus dem Spanischen Erbfolgekrieg ausschieden, sodass Frankreich die Friedensbedingungen 1714 diktieren konnte. Frankreich sorgte dafür, dass sein Verbündeter Bayern wieder in alle Rechte eingesetzt wurde (Kurwürde, Oberpfalz). Die Kurpfalz ging nicht nur leer aus, sie stand sogar noch schlechter da als vor dem Krieg, da sich der Kurfürst von Braunschweig-Lüneburg weigerte, die ihm gerade übertragene Erzschatzmeister-Würde wieder abzugeben. Streitigkeiten um den kurfürstlichen Rang begleiteten die kurpfälzische Politik durch das ganz weitere Jahrhundert, bis sie ihre Lösung in der bayrisch-pfälzischen Union von 1777 fanden.[1]

    Die Kurpfalz im 18. Jahrhundert

    Das Mannheimer Schloss, erbaut zwischen 1720 und 1760
    Schwetzinger Schloss, die Sommerresidenz der Kurfürsten
    Kurfürst Karl Theodor (Pfalz und Bayern) Karl in kurfürstlichem Ornat und mit Marschallsstab
    Die Pfalz bei Kaub im Oberamt Bacherach, eine kurpfälzische Zollstation im Mittelrhein.

    Kurfürst Karl III. Philipp beabsichtigte, seine Residenz wieder im neu aufzubauenden Heidelberger Schloss zu nehmen. Sein katholischer Hofstaat benötigte jedoch auch eine repräsentative Hofkirche, und die Wahl des Kurfürsten fiel auf die älteste Kirche Heidelbergs, die Heiliggeistkirche, die jedoch als Simultankirche sowohl von Reformierten als auch von Katholiken genutzt wurde. Der reformierte Kirchenrat leistete Widerstand gegen die Absichten des Kurfürsten. Dieser wollte daraufhin ein Exempel statuieren und ließ die Kirche durch Soldaten besetzen. Ein weiterer Stein des Anstoßes war die Formulierung im reformierten Heidelberger Katechismus, in der der Katholizismus als „vermaledeite Abgötterei“ bezeichnet wurde. Karl III. Philipp befahl, auch den Katechismus einzuziehen. Die Reformierten suchten daraufhin Unterstützung außerhalb der Pfalz bei den evangelischen Reichsständen. Insbesondere Preußen und das Kurfürstentum Hannover intervenierten diplomatisch und begannen gewissermaßen als Gegenmaßnahme die Katholiken in ihren Ländern zu schikanieren. Auf Druck des Kaisers gab der Kurfürst schließlich nach und erlaubte den Neudruck des Heidelberger Katechismus, allerdings ohne die anstößige Formulierung. Da die Heidelberger Reformierten aber standhaft blieben und die Heiliggeistkirche auch nicht gegen einen Neubau als Ersatz herausgeben wollten, machte Karl III. Philipp seine anfänglich ausgesprochene Drohung, er wolle die Residenz aus Heidelberg verlegen, 1720 wahr und ließ mit dem Bau eines neuen Schlosses in Mannheim beginnen. In mehr als 20 Jahren Bauzeit entstand hier die nach Versailles zweitgrößte Schlossanlage Europas. Auch die Stadt Mannheim selbst musste, da vollständig kriegszerstört, von Grund auf neu geplant werden. Sie wurde nach Schachbrettmuster streng geometrisch angelegt.

    Mit dem Tod Karls III. Philipp 1742 erlosch auch die Linie Pfalz-Neuburg. An ihre Stelle trat durch Erbfolge die wittelsbachische Nebenlinie Pfalz-Sulzbach mit Kurfürst Karl Theodor (Kurfürst von 1742 bis 1799). Er betrieb mit wechselndem Erfolg außenpolitisch eine Schaukelpolitik zwischen den Großmächten Frankreich, dem Kaiser bzw. Österreich und Preußen. Nach dem Aussterben der bayerischen Wittelsbacher im Jahr 1777 trat er entsprechend den Bestimmungen der gegenseitig abgeschlossenen Erbverträge das Erbe als Herzog und Kurfürst von Bayern an. Allerdings wurde ihm das bayrische Erbe durch Kaiser Joseph II. streitig gemacht. Karl Theodor, der gerne in Mannheim geblieben wäre und nicht in das von ihm ungeliebte München wechseln wollte, ließ sich überreden, im Tausch gegen Vorderösterreich Teile Bayerns an den Kaiser abzutreten. Sogar ein groß angelegter Ländertausch war im Gespräch: Bayern gegen die österreichischen Niederlande. Die Tauschpläne scheiterten jedoch am Widerstand Preußens und des von diesem gegründeten deutschen Fürstenbunds und Karl Theodor machte sich dadurch bei seinen bayerischen Untertanen unbeliebt, die es wenig schätzten, nur als Tauschobjekt betrachtet zu werden.

    Insgesamt bedeutete die lange, mehr als 50 Jahre währende Herrschaft Karl Theodors jedoch eine Blütezeit für die Kurpfalz. Der Kurfürst war den Ideen der Aufklärung verbunden. Er betätigte sich vielfach als Bauherr und förderte die Wissenschaften. 1763 wurde die Kurpfälzische Akademie der Wissenschaften in Mannheim gegründet. Hinzu kamen die Kameral-Hohe-Schule und Kurfürstlich Deutsche Gesellschaft. 1776 wurde die Folter abgeschafft. Die Wirtschaft wurde nach merkantilistischem Muster gefördert. Bürgerliche Aufklärer, die sich von den höfisch-geprägten Institutionen abgrenzten, formierten sich vor allem in Lesegesellschaften oder auch in regionalen Freimaurerlogen. Besonderen Glanz und musikhistorische Bedeutung erlangte der Mannheimer Hof durch die Mannheimer Schule, die wesentliche Impulse für die spätere Wiener Klassik lieferte. Der junge Wolfgang Amadeus Mozart erhielt hier 1777/78 wesentliche Anregungen und bewarb sich – allerdings vergeblich – um eine Stelle in der kurfürstlichen Hofkapelle.

    Administrative Einteilung der Kurpfalz 1789 in Stadtämter und Oberämter

    Stadtämter
    1 Frankenthal
    2 Mannheim
    3 Heidelberg

    Oberämter links des Rheins

    4 Alzey
    5 Bacharach
    6 Germersheim
    7 Kreuznach
    8 Neustadt
    9 Lautern
    10 Lauterecken
    11 Oppenheim
    12 Simmern
    13 Stromberg
    14 Veldenz

    Oberämter rechts des Rheins

    15 Boxberg
    16 Bretten
    17 Heidelberg
    18 Ladenburg
    19 Lindenfels
    20 Mosbach
    21 Otzberg
    22 Umstadt (Kondominium mit Hessen-Darmstadt)

    Die Aufteilung der Kurpfalz in der Napoleonischen Zeit

    Im Zuge der Koalitionskriege (1792 bis 1815) wurde der linksrheinische Teil der Kurpfalz infolge der französischen Besetzung vom rechtsrheinischen Teil abgetrennt. Von 1798 bis 1814 waren die linksrheinischen Gebiete in den französischen Staat eingegliedert. Sie waren überwiegend ein Teil des Département du Mont-Tonnerre (französisch für den Donnersberg); einige nördliche Teile, z.B. Simmern und Bacharach, gehörten zum Département de Rhin-et-Moselle.

    Die Kurpfalz wurde infolge des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 aufgeteilt. Die rechtsrheinischen Gebiete, einschließlich der Städte Heidelberg, Mannheim, Schwetzingen und Weinheim, wurden überwiegend dem gleichzeitig zum Großherzogtum aufgewerteten Baden zugeschlagen.

    Im Odenwald gehörten zur Kurpfalz verstreute Territorien, die die Pfälzer Kurfürsten aufgrund ihrer langjährigen Dienste als Vögte des Reichsklosters Lorsch vom Erben des Klosters, Kurmainz, beansprucht und schließlich durch Kriege und Pfändung unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Diese Gebiete im Odenwald und an der Bergstraße (Neckarsteinach, Viernheim, Heppenheim) kamen zusammen mit den kurmainzischen Gebieten über das kurzlebige Fürstentum Leiningen 1806 großenteils an das Großherzogtum Hessen.

    Mit dem Wiener Kongress 1815 wurden auch Städte wie Alzey und Worms Teil des Großherzogtums Hessen (Provinz Rheinhessen), die nördlich der Nahe gelegene Teile der früheren Kurpfalz fielen unter anderem an Preußen. Das linksrheinische Kernland der Kurpfalz um Mutterstadt, Neustadt, Landau und Frankenthal kam zusammen mit zahlreichen anderen Territorien der heutigen Pfalz an das Königreich Bayern, das aus dem Flickenteppich den territorial geschlossenen „Bayerischen Rheinkreis“ mit der Hauptstadt Speyer schuf (seit 1836 unter König Ludwig I. „Rheinpfalz“ genannt). Seit 1946 ist die Pfalz Teil des Landes Rheinland-Pfalz. Die 1795 vollzogene Teilung der alten Kurpfalz in einen rechts- und einen linksrheinischen Teil besteht fort.

    Wappen

    Wappen der Kurpfalz, mit Helm und Pfälzer Löwen als Helmzier; Stiftskirche (Neustadt an der Weinstraße), um 1420
    An der Verbreitung des Pfälzer Löwens als Wappentier ist das ehemalige kurpfälzische Herrschaftsgebiet zum Teil nachzuvollziehen

    Hauptartikel: Wappen der Kurpfalz

    Im gevierten Schild im (heraldisch) rechten Obereck und im (heraldisch) linken Untereck von Weiß und Blau schrägrechts gerautet, im (heraldisch) linken Obereck und im (heraldisch) rechten Untereck ein linksgewendeter goldener, rotbewehrter, rotbezüngter und rotgekrönter Löwe im schwarzen Feld.

    Die weiß-blauen Rauten waren das Wappen der Grafen von Bogen und wurden im Jahr 1242 an die Wittelsbacher vererbt. Sie stehen somit für die Herrschaft der pfälzischen Linie der Wittelsbacher über die Kurpfalz.

    Der goldene Löwe im schwarzen Feld war das Wappen der Pfalzgrafen bei Rhein. Er findet sich auch als Teil des großen Landeswappens von Baden-Württemberg und steht dort für die kurpfälzischen Gebiete in Nordbaden sowie im Landeswappen von Rheinland-Pfalz und einiger Kommunen.

    Literatur

    • Rudolf Haas, Hansjörg Probst: Die Pfalz am Rhein. 2000 Jahre Landes-, Kultur- und Wirtschaftsgeschichte. Südwestdeutsche Verlagsanstalt, Mannheim 1984, ISBN 3-87804-159-4.
    • Meinrad Schaab: Geschichte der Kurpfalz.
    • Alexander Schweickert: Kurpfalz. Kohlhammer, Stuttgart 1997, ISBN 3-17-014038-8.
    • Armin Kohnle: Kleine Geschichte der Kurpfalz. G. Braun, Karlsruhe 2011 (4. Auflage), ISBN 978-3-7650-8329-7.
    • Wilhelm Kreutz: Aufklärung in der Kurpfalz. Beiträge zu Institutionen, Sozietäten und Personen. Rhein-Neckar-Kreis, Historische Schriften Bd. 4. Verlag Regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2008, ISBN 978-3-89735-552-1.
    • Stefan Mörz: Aufgeklärter Absolutismus in der Kurpfalz während der Mannheimer Regierungszeit des Kurfürsten Karl Theodor (1742–1777). Kohlhammer, Stuttgart 1991, ISBN 978-3-17-011186-8.
    • Volker Press: Calvinismus und Territorialstaat. Regierung und Zentralbehörden der Kurpfalz 1559–1619. Stuttgart 1970.
    Wikisource: Kurpfalz – Quellen und Volltexte
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    Wikivoyage: Kurpfalz – Reiseführer

    Einzelnachweise

    1. Zum Ganzen Johannes Arndt: Herrschaftskontrolle durch Öffentlichkeit. Die publizistische Darstellung politischer Konflikte im Heiligen Römischen Reich 1648–1750. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2013 (Veröffentlichungen des Instituts für Europäische Geschichte, Mainz, Bd. 224), ISBN 978-3-525-10108-7, Kapitel II.2: Reichsvikariatsstreit zwischen Kurbayern und Kurpfalz. S. 261–296 (Vorschau bei Google Bücher).