„Militärputsch in der Türkei 1980“ – Versionsunterschied

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Zu den wesentlichen Gesetzesänderungen zwischen dem 12. September 1980 und dem 6. Dezember 1983 gehören: das Parteiengesetz, das Wahlgesetz mit einer 10% Hürde, das Gewerkschaftsgesetz, das Vereinsgesetz, das Gesetz zu Demonstrationen und Kundgebungen, das Hochschulgesetz und das Gesetz 2932 zu "Sendungen in anderen Sprachen als Türkisch". Obwohl dieses am 22.10.1983 vor allem gegen den Gebrauch der kurdischen Sprache erlassene Gesetz mit dem Gesetz 3713 zur "Bekämpfung des Terrorismus" (das so genannte Anti-Terror Gesetz) im April 1991 abgeschafft wurde, beinhaltet das Parteiengesetz immer noch (Anfang 2007) Bestimmungen, die es Politikern verbieten, in ihrer Arbeit die kurdische Sprache zu benutzen.
Zu den wesentlichen Gesetzesänderungen zwischen dem 12. September 1980 und dem 6. Dezember 1983 gehören: das Parteiengesetz, das Wahlgesetz mit einer 10% Hürde, das Gewerkschaftsgesetz, das Vereinsgesetz, das Gesetz zu Demonstrationen und Kundgebungen, das Hochschulgesetz und das Gesetz 2932 zu "Sendungen in anderen Sprachen als Türkisch". Obwohl dieses am 22.10.1983 vor allem gegen den Gebrauch der kurdischen Sprache erlassene Gesetz mit dem Gesetz 3713 zur "Bekämpfung des Terrorismus" (das so genannte Anti-Terror Gesetz) im April 1991 abgeschafft wurde, beinhaltet das Parteiengesetz immer noch (Anfang 2007) Bestimmungen, die es Politikern verbieten, in ihrer Arbeit die kurdische Sprache zu benutzen.

== Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland ==
{{Lückenhaft|Auswirkungen auf die bundesdeutsche Ausländerpolitik fehlen}}
Für die Bundesrepublik Deutschland bewirkte der Putsch nach der türkischen Arbeitsmigration der 60er und 70er Jahre eine zweite große Einwanderungswelle, jetzt zahlreicher türkischer Regimegegner<ref>Politik und Unterricht: „[http://www.politikundunterricht.de/3_00/Mater-Migration.html Türken bei uns“, Heft 3/2000 , Hrsg.: LpB
</ref>. Diese Einwanderung wirkte sich stark auf die demographische Struktur der in Deutschland lebenden Türken aus. Zu der großen Gruppe der Arbeitsmigranten gesellten sich jetzt in weit stärkerem Maße als bereits bei einem Militärputsch am 12. März 1971 Angehörige der intellektuellen Schicht als politische Flüchtlinge<ref>Nedim Hazar: „Die Seiten der Saz in Deutschland“ In: Aytaç Eryılmaz/Mathilde Jamin (Hg.), ''Fremde Heimat: Eine Geschichte der Einwanderung''; Essen, Klartext / [[DOMiT]], Februar 1998</ref>. Etwa 60.000 von ihnen, darunter ein Großer Anteil Kurden (ungefähr zwei Drittel), ließen sich schließlich langfristig in der Bundesrepublik nieder<ref> Giyas Sayan: „[http://www.trend.infopartisan.net/trd0299/t090299.html Kurdische Einwanderung, speziell nach Berlin]“. In: Ali/Polat/Topal u.a.: ''Kurden in Berlin''; Berlin, GNN-Verlag, 1999</ref>.


== Weblinks ==
== Weblinks ==

Version vom 10. April 2007, 01:37 Uhr

Der Militärputsch in der Türkei 1980 war der dritte Militärputsch in der türkischen Geschichte. Er wurde am 12. September 1980 unter Leitung des Generalstabchefs Kenan Evren durchgeführt. Als Gründe für den Putsch nannte die Militärjunta: Schutz der Einheit des Landes, Sicherung der nationalen Einheit und Gemeinsamkeit, Verhinderung eines Bürgerkrieges und Wiederherstellung der Staatsautorität.[1]

Vorgeschichte

1975 wurde der Vorsitzende der Republikanischen Volkspartei CHP, Bülent Ecevit vom Vorsitzenden der Gerechtigkeitspartei AP, Süleyman Demirel im Amt des Ministerpräsidenten abgelöst. Er ging mit der fundamentalistisch ausgerichteten MSP und der rechtsradikalen MHP eine Dreiparteienkoalition der "Nationalistischen Front" ein. Bei den Neuwahlen von 1977 konnte sich weder die CHP noch die AP durchsetzen. Zunächst konnte Demirel seine Koalition der "Nationalen Front" fortführen. 1978 gelang es Ecevit, nun durch Parteiwechsler gestärkt, die Koalition zu stürzen und selber eine Koalitionsregierung zu bilden. 1979 kam wiederum Demirel an die Macht. Das Bild der Türkei war Ende der 1970er geprägt durch fehlende politische Stabilität, ungelöste wirtschaftliche und soziale Probleme, Streiks und Gewalt links- und rechtsextremer Gruppen. Die Politik und die Sicherheitskräfte schienen außerstande, die Gewalt zu bekämpfen. Den Kämpfen zwischen "Links" und "Rechts" aber auch zwischen linken Gruppierungen, die bürgerkriegsähnliche Züge annahmen, fielen mehr als 5.000 Menschen zum Opfer.[2]

Unterschiedliche Quellen machen dazu folgende Angaben: Nach dem türkischen Nachrichtendienst MIT sollen 70% der Morde von "Linken" und 30% der Morde von Rechten begangen worden sein.[3] Auch das Militär machte vor allem linke Organisationen für die Gewalt verantwortlich. [4] Im zentralen Verfahren gegen die Organisation Devrimci Yol (Revolutionärer Weg) vor dem Militärgericht in Ankara führten die Angeklagten in ihrer Verteidigung genauere Zahlen auf: Demnach wurden 5.388 politische Morde begangen. Unter den Opfern waren 1.296 "Rechte" und 2.109 "Linke", sowie 281 Sicherheitsbeamte. Die anderen Morde konnten nicht eindeutig zugeordnet werden.[5] Der Journalist Uğur Mumcu präsentierte Zahlen für den Beginn der Auseinandersetzung, wobei er für 1975 23 Linke und 7 Rechte unter 31 Opfern und 1976 60 Linke und 27 Rechte unter 87 Opfern fand. (Tageszeitung Cumhuriyet vom 14. September 1990)

Putsch

In dieser Situation putschte sich das Militär am 12. September 1980 zum dritten Mal an die Macht. Putschistenführer General Kenan Evren verhängte über das Land das Kriegsrecht und verbot alle politischen Parteien. Die Regierung wurde des Amtes enthoben, Gewerkschaften, Vereine und Stiftungen wurden verboten und ihre Funktionäre wurden vor Gericht gestellt. Allein das Verfahren gegen die Konföderation Revolutionärer Gewerkschaften (DİSK) hatte bei der Urteilsverkündung vor dem Militärgericht in Istanbul im Jahre 1986 1.477 Angeklagte. [6] Das Militär versuchte die Gesellschaft der Türkei durch Säuberungsaktionen in staatlichen Institutionen zu entpolitisieren. 30.000 Menschen sollen davon betroffen gewesen sein (vgl. Cumhuriyet vom 12. September 1990, aufgegriffen von (belgenet.com).

Der Putsch richtete sich vornehmlich gegen die aufkeimende kurdische Befreiungsbewegung sowie gegen linke und kommunistische Kräfte. Tausende von politischen Gefangenen wurden gefoltert und zum Tode verurteilt. Die Meldung in Cumhuriyet vom 12. September 1980 spricht von 650.000 politischen Festnahmen, 7.000 beantragten, 571 verhängten und 50 vollstreckten Todesstrafen und dem nachgewiesenen Tod durch Folter in 171 Fällen. amnesty international nennt die Zahl von 47 nachgewiesenen Todesfällen unter Folter (40 davon von der damaligen türkischen Regierung zugegeben) und weiteren 159 Fällen, in denen der Verdacht auf Folter als Todesursache nicht ausgeräumt werden konnte.[7] Die PKK zog sich schon ein Jahr zuvor teilweise aus Ost-Türkei in den Libanon zurück, nach dem Putsch werden alle Gruppen ins Ausland gerufen. Türkische oppositionelle Gruppen gingen auch ins Exil, die meisten nach Europa.

Unterstützung durch NATO und USA

Die These, dass der Putsch von der NATO und den USA unterstützt wurde, stützt sich auf drei Argumente. Im Rahmen der OECD leisteten verschiedene NATO-Länder in den 70er und 80er Jahren eine umfangreiche Militär- und Wirtschaftshilfe an die Türkei. Zwischen 1979 und 1982 brachten die OECD Ländern 4 Milliarden Dollar an Wirtschaftshilfe auf.[8] Daneben erhielt die Türkei vor und nach dem Militärputsch umfangreiche Militärhilfen.[9] Ende 1981 wurde ein türkisch-amerikanischer Verteidigungsrat gegründet, mit dem die USA die Stationierung der Spezialeinheit schnelle Eingreiftruppe (Rapid Deployment Force = RDF) besonders in Ostanatolien forcieren wollte. Vor allem aber stützt sich die These auf die Art, wie dem US-Präsidenten Jimmy Carter die Botschaft des Putsches überbracht wurde. In seinem Buch 12 Eylül - Saat 4 (12. September, 4 Uhr) beschreibt Mehmet Ali Birand, dass Paul Henze als Berater des Nationalen Sicherheitsrats in den USA dem Präsidenten Jimmy Carter die Nachricht von dem Putsch mit den Worten unsere Jungs (in Ankara) haben es gemacht (our boys did it) überbrachte (vgl. Zaman 14. Juni 2006).

Gesellschaftliche Neuordnung

Mit der Übernahme der Macht setzten sich die 5 Generäle (Heer, Luftwaffe, Marine, Gendarmerie und Generalstabschef) im Generalstab als Nationaler Sicherheitsrat (NSR) an die Spitze im Staate. Sie erklärten, dass die Verfassung von 1961 nur noch in jenen Teilen gültig sei, zu denen es vom NSR keine gegenteiligen Bestimmungen (Dekrete, Erlasse) gebe.[10] Mit dem Gesetz 2485 vom 29.06.1981 wurde eine Beratende Versammlung (Danışma Meclisi) ins Leben gerufen. 40 Mitglieder wurden direkt durch den NSR bestimmt und die anderen 120 Mitglieder wurden von Gouverneuren vorgeschlagen, aber wiederum durch den NSR ausgesucht. Die vorrangige Aufgabe der Beratenden Versammlung war die Erarbeitung einer Verfassung. Der NSR konnte Vorschläge der Versammlung überstimmen.

Neue Verfassung

Zu den einschneidenden Maßnahmen für die Zeit nach der Militärdiktatur gehörten 15 so genannte Übergangsartikel in der Verfassung, die teilweise noch heute (Anfang 2007) gültig sind. Zum Einen wurde mit der Abstimmung zur Verfassung der Juntachef Kenan Evren für die nächsten 7 Jahre zu einem mit verstärkten Rechten ausgestatteten Staatspräsidenten ernannt. Politikern, die vor dem Putsch aktiv gewesen waren, wurde je nach Aktivitätsgrad für die Zeit von 5 oder 10 Jahren aktive Politik untersagt. Ebenso durften die alten Parteien nicht wieder gegründet werden. Die unter der Militärdiktatur erlassenen Gesetze durften nicht als verfassungswidrig beanstandet werden und die Mitglieder der Junta durften wegen ihrer Praktiken nicht angeklagt werden.[11]

Am 7. November 1982 wurde die von den Militärs vorgelegte neue Verfassung in einem Volksentscheid mit knapp 92% der Stimmen angenommen. Kenan Evren wurde am 9. November 1982 zum Staatspräsidenten ernannt.

Erste Wahlen

In die neue Gründung von Parteien griffen die Militärs entscheidend ein. Die Partei der Großen Türkei, die offensichtlich eine Fortführung der AP von Süleyman Demirel sein sollte, wurde kurz nach der Gründung verboten und 16 Politiker wurden in die Verbannung nach Çanakkale geschickt. Von den 73 Gründern der Partei der großen Aufgabe wurden 62 mit einem Veto belegt. Damit verpasste sie die Norm von 30 Gründern und konnte gar nicht erst gegründet werden. Die Populistische Partei unter Necdet Calp vereinigte sich später mit der SODEP (Sosyal Demokrasi Partisi).[12] Die Politiker um Demirel gründeten die Partei des Rechten Weges DYP (Doğru Yol Partisi).

Die größten Aussichten wurden der von den Generälen gegründeten Partei der Nationalistischen Demokratie unter dem pensionierten General Turgut Sunalp eingeräumt, aber dann machte die ANAP (Anavatan Partisi) unter Turgut Özal bei den Wahlen am 6. November 1983 das Rennen (vgl. die türkische Seite zum Militärputsch vom 12. September. Diese Partei vereinigte Technokraten, Konservative und auch islamische Kreise.

Verschärfte Gesetze

In der Zeit der offiziell als Übergangsregime bezeichneten Militärdiktatur wurde nicht nur eine restriktive Verfassung verabschiedet, sondern mit einer Fülle von Gesetzen der Versuch einer gesellschaftlichen Neuordnung unternommen. Noch im November 2005 sprach der Justizminister Cemil Çiçek von der Notwendigkeit, die 669 Gesetze und 139 Beschlüsse mit Gesetzeskraft (KHK = Kanun Hükmünde Karaname) im Rahmen der Anpassung an die EU ändern zu müssen (vgl. dazu Nachricht in Zaman vom 07.08.2005]).

Zu den wesentlichen Gesetzesänderungen zwischen dem 12. September 1980 und dem 6. Dezember 1983 gehören: das Parteiengesetz, das Wahlgesetz mit einer 10% Hürde, das Gewerkschaftsgesetz, das Vereinsgesetz, das Gesetz zu Demonstrationen und Kundgebungen, das Hochschulgesetz und das Gesetz 2932 zu "Sendungen in anderen Sprachen als Türkisch". Obwohl dieses am 22.10.1983 vor allem gegen den Gebrauch der kurdischen Sprache erlassene Gesetz mit dem Gesetz 3713 zur "Bekämpfung des Terrorismus" (das so genannte Anti-Terror Gesetz) im April 1991 abgeschafft wurde, beinhaltet das Parteiengesetz immer noch (Anfang 2007) Bestimmungen, die es Politikern verbieten, in ihrer Arbeit die kurdische Sprache zu benutzen.

Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland

Für die Bundesrepublik Deutschland bewirkte der Putsch nach der türkischen Arbeitsmigration der 60er und 70er Jahre eine zweite große Einwanderungswelle, jetzt zahlreicher türkischer Regimegegner[13]. Diese Einwanderung wirkte sich stark auf die demographische Struktur der in Deutschland lebenden Türken aus. Zu der großen Gruppe der Arbeitsmigranten gesellten sich jetzt in weit stärkerem Maße als bereits bei einem Militärputsch am 12. März 1971 Angehörige der intellektuellen Schicht als politische Flüchtlinge[14]. Etwa 60.000 von ihnen, darunter ein Großer Anteil Kurden (ungefähr zwei Drittel), ließen sich schließlich langfristig in der Bundesrepublik nieder[15].

English

Türkçe

Quellen

  1. Aus der Erklärung Nr. 1zu finden auf den Seiten von Belgenet
  2. amnesty international: Türkei - Die verweigerten Menschenrechte, Bonn November 1988, ISBN 3-89290-016-7, S. 9
  3. M. Ali Birand. 12 Eylül. Saat 04.00 (12. September, 4 Uhr). Istanbul 1984, S. 76.
  4. Kenan Evren'in Anıları (Memoiren von Kenan Evren). Istanbul 1990, S. 311 - 319).
  5. Devrimci Yol Savunması (Verteidigung vom Revolutionären Weg. Ankara, Januar 1989, S. 118-119
  6. amnesty international: Türkei - Die verweigerten Menschenrechte, Bonn November 1988, ISBN 3-89290-016-7, S. 11
  7. Amnesty Internatiional, TURKEY: TORTURE AND DEATHS IN CUSTODY, AI Index: EUR 44/38/89, 18. April 1989
  8. alternative türkeihilfe, Militärs an der Macht, Herford, August 1983, S. 11
  9. Eine Aufstellung der Hilfen durch die USA
  10. Kemal Gözler, Türk Anayasa Hukuku (Türkisches Verfassungsrecht), Bursa, Ekin Kitabevi Yayınları, 2000, S. 93-103
  11. ath: Broschüre "Militärs an der Macht", Herford, 01.08.1983, S. 21
  12. ath: Broschüre "Militärs an der Macht", Herford, 01.08.1983, S. 22
  13. Politik und Unterricht: „[http://www.politikundunterricht.de/3_00/Mater-Migration.html Türken bei uns“, Heft 3/2000 , Hrsg.: LpB
  14. Nedim Hazar: „Die Seiten der Saz in Deutschland“ In: Aytaç Eryılmaz/Mathilde Jamin (Hg.), Fremde Heimat: Eine Geschichte der Einwanderung; Essen, Klartext / DOMiT, Februar 1998
  15. Giyas Sayan: „Kurdische Einwanderung, speziell nach Berlin“. In: Ali/Polat/Topal u.a.: Kurden in Berlin; Berlin, GNN-Verlag, 1999