Stephan Bickhardt

deutscher Pastor und DDR-Bürgerrechtler

Stephan Bickhardt (* 3. September 1959 in Dresden) ist ein deutscher evangelisch-lutherischer Pfarrer. Seit 2019 leitet er die Evangelische Akademie Sachsen. Er war ein Vertreter der Bürgerrechtsbewegung in der DDR.

Stephan Bickhardt wuchs in einem Pfarrhaus in Dresden-Niedersedlitz auf. Er ist der Sohn von Peter Bickhardt, einem Vertreter der kirchlichen Oppositionsbewegung in der DDR und der Theologin Charlotte Bickhardt geb. Baake (1932–1996). Stephan Bickhardt hatte zwei jüngere Geschwister.[1] Ab 1966 ging er in Dresden zur Schule. Ab 1976 engagierte er sich in der Aktion Sühnezeichen. Im selben Jahr trat Stephan Bickhardt in die FDJ ein. Trotzdem wurde er wegen seiner regimekritischen Einstellung nicht zum Abitur zugelassen.[2] Stephan Bickhardt absolvierte 1977–1978 in Dresden eine Ausbildung zum Werkzeugmacher. Wegen mangelhafter Lehrinhalte und Arbeitsbedingungen organisierte er einen Lehrlingsstreik, dem sich auch Facharbeiter und Meister anschließen. Nach einem Bericht im Wirtschaftsmagazin der DDR-Fernsehens Prisma wurde die Lehrausbildung geändert. Neben seiner Ausbildung erwarb Stephan Bickhardt ein Sonderabitur. Er studierte ab 1979 Theologie und Religionspädagogik am Katechetischen Oberseminar in Naumburg und von 1983 bis 1986 am Sprachenkonvikt Berlin. Während seines Studiums reiste er oft nach Dresden und beteiligt sich an der Jugendarbeit der Weinbergsgemeinde. 1980 war Stephan Bickhardt an der Ausarbeitung der Initiative für die Einführung eines zivilen sozialen Friedensdienstes (SoFD) beteiligt, die vom Pfarrer der Dresdner Weinbergsgemeinde Christoph Wonneberger initiiert wurde. Zwischen 1983 und 1989 organisierte er mit Ludwig Mehlhorn mehr als dreißig Schriftstellerlesungen kritischer Autorinnen und Autoren in der eigenen, Mehlhorns und später der gemeinsamen Privatwohnung.

Nach ersten Kontakten mit oppositionellen Gruppen um Gerd Poppe und Wolfgang Templin gehörte er 1985 zu den Organisatoren der „Initiative für Blockfreiheit in Europa“ und war 1986 Mitbegründer des Arbeitskreises „Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung“,[3] aus dem die Bürgerbewegung Demokratie Jetzt entstand. Daneben war er maßgeblich an der Herstellung und Verbreitung von Samisdat-Literatur in Form der „radix-blätter“ beteiligt.[4]

1986–1987 war er Studienreferent in der Geschäftsstelle der Evangelischen Studierendengemeinden in der DDR und bis 1989 Vikar in Fredersdorf bei Berlin. 1987 nahm Stephan Bickhardt am Olof-Palme-Friedensmarsch teil. 1989 war er Mitautor des „Aufrufs Neues Handeln“, in dem die Aufstellung unabhängiger Kandidaten und die Kontrolle der Ergebnisse bei den Kommunalwahlen am 7. Mai 1989 gefordert wurde.

Im Herbst 1989 begründete Stephan Bickhardt die oppositionellen Partei Demokratie Jetzt mit und wurde 1990 deren Geschäftsführer.[5] 1991 schloss Bickhardt das Vikariat ab und wurde Pfarrer in Eberswalde. Von 1995 bis 2006 war er Studentenpfarrer der Evangelischen Studierendengemeinde Leipzig und wurde 2006 Pfarrer der Kirchgemeinde Großstädteln/Großdeuben. Seit November 2007 arbeitete er als Polizeiseelsorger und war zuständig für den Bereich Leipzig.

Am 3. Oktober 2014 wurde er, für seine Betätigung im Rahmen der Friedlichen Revolution, bei den Festlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit vom Bundespräsidenten Joachim Gauck mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.[6][7]

2015 gehörte Stephan Bickhardt zu den Erstunterzeichnern eines offenen Briefes an die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, in dem deren Flüchtlingspolitik unterstützt wird.[8] 2016 wandte er sich gegen die Verwendung der Losung der friedlichen Revolution in der DDR „Wir sind das Volk“ durch Pegida und Legida.[9] Diese Forderung bekräftigte er zusammen mit über 100 Bürgerrechtlern in der Erklärung zu Chemnitz, die im zeitlichen Kontext der Ausschreitungen in Chemnitz 2018 veröffentlicht wurde.[10]

Im August 2019 wurde er zum Direktor der Evangelischen Akademie Sachsen ernannt.[11]

Zusammen mit seiner Frau Kathrin Bickhardt-Schulz hat er vier Kinder und sie leben gemeinsam in Markkleeberg bei Leipzig.

Ehrungen

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Veröffentlichungen

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Literatur

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Einzelnachweise

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  1. Stephan Bickhardt – Kurzbiografie. (PDF; 158 kB) In: bildungsserver.berlin-brandenburg.de. Abgerufen am 18. August 2018.
  2. Robert Żurek (Hrsg.): Polen – Mein Weg zur Freiheit. Wie Polen die DDR-Bürgerrechtler inspirierte – 13 Gespräche. fibre Verlag, Osnabrück 2015, ISBN 978-83-7629-911-2, S. 15–32.
  3. IFM-Archiv Sachsen e. V.: Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung, Pfingsten 1987, Digitalisat. Unterzeichnende: Almut Berger, Karl-Heinz Bonnke, Dr. Hans-Jürgen Fischbeck, Reinhard Lampe, Stephan Bickhardt, Dr. Martin Böttger, Dorrit Fischer, Ludwig Mehlhorn, Anette von Bodecker, Erich Busse und Martin König.
  4. Peter Wensierski: Und die Stasi bekam nichts mit. 17. Juni 2019, abgerufen am 17. Juni 2019.
  5. Stephan Bickhardt: Ein Jahr Bürgerbewegung Demokratie Jetzt (September 1990). In: ddr89.de. Die Tageszeitung, Nr. 3206, 10. September 1990, abgerufen am 19. August 2018.
  6. Verlautbarung zur Ordensverleihung zum Tag der Deutschen Einheit auf der Webpräsenz des deutschen Bundespräsidenten (1. Oktober 2014).
  7. Uwe Naumann: Bundesverdienstkreuz für Pfarrer Stephan Bickhardt. In: sonntag-sachsen.de. 29. September 2014, abgerufen am 18. August 2018.
  8. Der offene Brief an Merkel im Wortlaut. In: dw.com. 3. November 2015, abgerufen am 18. August 2018.
  9. „Wir sind das Volk“ – ein Ruf und sein geistiger Missbrauch. Der DDR-Bürgerrechtler und Polizeiseelsorger Stephan Bickhardt über den Umgang mit der legendären Losung der Friedlichen Revolution. In: Leipziger Volkszeitung. 8. November 2016, S. 11 (archive.org).
  10. Bürgerrechtler veröffentlichen „Erklärung zu Chemnitz“. Abgerufen am 9. Juli 2019.
  11. Pressemitteilung: Der Leipziger Polizeiseelsorger Stephan Bickhardt wird Direktor der Evangelischen Akademie Meißen. Die Evangelischen Akademien in Deutschland e. V., 25. Juli 2019, abgerufen am 9. Oktober 2019.