Hofgericht Darmstadt
Das Hofgericht Darmstadt war ein Hofgericht und Obergericht erst der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt, dann des Großherzogtums Hessen mit Sitz in Darmstadt und einem Gerichtsbezirk, der sich über Provinz Starkenburg in ihrem jeweiligen Umfang erstreckte. Es bestand bis 1879.
Geschichte
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Entstehung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Höheres Gericht für den Teil Starkenburgs, der zur Landgrafschaft Hessen-Darmstadt gehörte, überwiegend die Obergrafschaft Katzenelnbogen, war ursprünglich die Kanzlei und – daraus hervorgegangen – später die Regierung in Darmstadt. Für die Strafjustiz gab es bereits seit dem 17. Jahrhundert, endgültig seit der Kriminal- und peinlichen Gerichtsordnung vom 13. September 1726, auf gleicher Ebene ein „Peinliches Gericht“. Mit zwei Organisationsedikten vom 12. Oktober 1803[Anm. 1] wurde die Landgrafschaft in erheblichem Umfang modernisiert: Die Provinz Starkenburg entstand und auf dieser Ebene erfolgte gleichzeitig die Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung. Die Verwaltung nahm nun ein Regierungskollegium, die Rechtsprechung ein Justizkollegium wahr. Letzteres erhielt in der Ausführungsverordnung vom 9. Dezember 1803 die Bezeichnung „Hofgericht“.[1]
Weitere Entwicklung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mit der Gründung des Großherzogtums Hessen 1806 behielt das Hofgericht Darmstadt seine hergebrachte Funktion bei, die allerdings räumlich nun auch auf alle Gebiete ausgeweitet wurden, die im Zuge der Mediatisierung der Provinz Starkenburg zufielen. Eine Erweiterung der sachlichen Zuständigkeit brachte die Verwaltungsreform von 1832, als auch im Bereich der Polizei- und Forstgerichtsbarkeit die Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung erfolgte. Das Hofgericht übernahm nun auch hier die zweitinstanzliche Entscheidung.[2]
Im Zuge der Revolution von 1848 wurde nun auch im rechtsrheinischen Teil des Großherzogtums das mündliche und öffentliche Strafverfahren und Schwurgerichte eingeführt. Dazu wurden bei den Hofgerichten „Kriminalsenate“ gebildet.[3]
Der Friedensvertrag vom 3. September 1866 zwischen dem Großherzogtum Hessen und dem Königreich Preußen nach dem Krieg von 1866 hatte nur geringe Auswirkungen auf den Umfang des Gerichtsbezirks des Hofgerichts Darmstadt. Lediglich das zuvor kurhessische Dorf Rumpenheim, nun im Bezirk des Landgerichts Offenbach gelegen, trat hinzu.[4]
Ende
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Mit dem Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 wurden Organisation und Bezeichnungen der Gerichte reichsweit vereinheitlicht. Zum 1. Oktober 1879 hob das Großherzogtum Hessen deshalb das Hofgericht Darmstadt auf. Funktional ersetzt wurde es durch das Landgericht Darmstadt.[5]
Zuständigkeiten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Örtliche Zuständigkeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die örtliche Zuständigkeit des Hofgerichts Darmstadt erstreckte sich über die Provinz Starkenburg des Großherzogtums.
Sachliche Zuständigkeit
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In bürgerlichen Streitsachen war das Gericht die zweite Instanz.
Erste Instanz war es im Bereich des Familienrechts, des Strafrechts bei schweren Verbrechen und für Personen, die ein entsprechendes Gerichtsstandsprivileg besaßen, insbesondere Schriftsässige (höherer Adel). Das „Peinliche Gericht“ blieb erhalten, war aber nach der Reform von 1803 eine Untersuchungsbehörde und trug seit 1810 die Bezeichnung „Kriminalgericht“.[6]
Instanzielle Position
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Übergeordnetes Gericht war das Oberappellationsgericht Darmstadt.
Nachgeordnete Gerichte waren zunächst die Ämter. Als 1821 auch auf dieser Ebene Verwaltung und Rechtsprechung getrennt wurden,[7] entstanden zunächst im nachgeordneten Bereich unterschiedliche Strukturen:
- In den Dominiallanden (Gebiete ungeteilter staatlicher Souveränität) wurden für die Rechtsprechung Landgerichte eingerichtet.
- In den Souveränitätslanden (Gebiete, in denen sich die Rechtsprechung in der Hand adeliger Familien befand) war das differenzierter:
- Soweit es sich um Patrimonialgerichte und kleinere Standesherrschaften mit einer Gerichtsbarkeit handelte, die keinen eigenen Instanzenzug hatte, war das Hofgericht Darmstadt ebenfalls zweite Instanz.
- In größeren Standesherrschaften mit einer eigenen Justizkanzlei war diese die zweite Instanz. Erst Berufungen gegen Urteile einer Justizkanzlei gelangten an das Hofgericht, das in diesen Bereichen die dritte Instanz bildete. Der Rechtszug in diesen Gebieten wies also vier Instanzen auf. Justizkanzleien, die auch für Gebiete zuständig waren, die im Bezirk des Hofgerichts Darmstadt lagen waren:
- Büdingen (1817–1825[8]) – für die Standesherrschaft Isenburg und
- Michelstadt – für die Standesherrschaft Erbach und Kondominate mit Löwenstein-Wertheim.[Anm. 2]
Nachdem die diese Sonderformen der Gerichtsverfassung in den 1820er Jahren endgültig aufgelöst und deren Aufgaben auf das Hofgericht Darmstadt übertragen waren, bestanden im nachgeordneten Bereich ausschließlich noch Landgerichte, mit einer Ausnahme: Das für die Provinzhauptstadt Darmstadt zuständige Gericht trug die Bezeichnung Stadtgericht Darmstadt (ohne dass es einen Unterschied in der sachlichen Zuständigkeit zu den Landgerichten gab).
Persönlichkeiten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Direktoren und Präsidenten
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]sortiert nach Amtszeit
- Eberhard Jodocus Weller (1834–1855)
- Friedrich Christian Gustav von Hombergk zu Vach (1855–1858)[9][10]
- Friedrich Lotheissen (1858–1859[Anm. 3])
- Georg Krug (1859–1873[Anm. 4])
- Friedrich Kraft (1873–1874)
- Heinrich Stüber (1876–1879)
Richter
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]sortiert nach Eintrittsalter
- Carl Ludwig (1811–1813)
- Georg Hallwachs (1811–1830)
- Friedrich Christian Gustav von Hombergk zu Vach (1812–1827)
- Friedrich von Grolman (1817–1832)
- Jacob Gottfried Weber (1818–1832)
- Wilhelm Müller (1820–1834)
- Karl Christian Schweickart (1825–1833)
- Joseph von Münch-Bellinghausen (1825–1836)
- Christian Karl Theodor Weyland (1830–1835)
- Andreas von Hesse (1830–1836)
- Georg Krug (1835–1841)
- Friedrich Lotheissen (1835–1841)
- Heinrich Frank (1836–1845)
- Emil von Grolman (1846–1861)
- Karl Ferdinand Schulz (1848–1865)
- August Strecker (1849–?)
- Eduard Seitz (1850–1853)
- Karl Ludwig Draud (1850–1860)
- Ludwig Zimmermann (Richter) (1852–1875)
- Karl Ludwig Wilhelm Daniel Draudt (1853–1860)
- Carl Brenner (1856–?)
- Heinrich Stüber (1858–1879)
- Ludwig Hallwachs (1862–1872)
- Eugen Franck (1869–1879)
- Wilhelm Heinzerling (1875–1879)
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Eckhart G. Franz, Hanns Hubert Hofmann, Meinhard Schaab: Gerichtsorganisation in Baden-Württemberg, Bayern und Hessen im 19. und 20. Jahrhundert = Akademie für Raumforschung und Landesplanung: Beiträge, Band 100 = Behördliche Raumorganisation seit 1800, Grundstudie 14. VSB Braunschweig, 1989, ISBN 3-88838-224-6
Anmerkungen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Die beiden Organisationsedikte wurden damals gedruckt veröffentlicht, dann aber offensichtlich nie wieder, so dass sie heute nur in Archiv-Beständen greifbar sind (Eckhart G. Franz, Peter Fleck, Fritz Kallenberg: Großherzogtum Hessen (1800) 1806–1918. In: Walter Heinemeyer, Helmut Berding, Peter Moraw, Hans Philippi (Hg.): Handbuch der Hessischen Geschichte. Band 4.2: Hessen im Deutschen Bund und im neuen Deutschen Reich (1806) 1815–1945. Die hessischen Staaten bis 1945 = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 63. Elwert. Marburg 2003. ISBN 3-7708-1238-7, S. 696, Anm. 84).
- ↑ Die offizielle Bezeichnung lautete: Löwenstein-Wertheimischen und Erbachische Gesamt-Justiz-Kanzlei.
- ↑ Schon 1836–1839 Richter am Hofgericht Darmstadt, 1856 wurde er als Direktor des Hofgerichts berufen, 1858 wurde er dessen Präsident, 1859 verstarb er.
- ↑ Schon 1835–1841 war er Richter am Hofgericht Darmstadt.
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Franz / Hofmann / Schaab, S. 161.
- ↑ Art. 2 Edict, die Uebertragung der Polizeigerichtsbarkeit, einschließlich der Forstgerichtsbarkeit, in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen betreffend vom 6. Juni 1832. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 56 vom 5. Juli 1832, S. 377–381.
- ↑ Art. 1 Einführung des mündlichen und öffentlichen Strafverfahrens mit Schwurgericht in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen betreffend vom 28. Oktober 1848. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 65 vom 17. November 1848, S. 405–468.
- ↑ Art. 15 Friedensvertrag vom 3. September 1866 zwischen Preußen und dem Großherzogtum Hessen im Großherzoglich Hessischen Regierungsblatt, Jahrgang 1866 S. 403 f., Digitalisat
- ↑ §§ 1, 2 Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 15 vom 30. Mai 1879, S. 197f.
- ↑ Franz / Hofmann / Schaab, S. 161.
- ↑ Die Eintheilung des Landes in Landraths- und Landgerichtsbezirke betreffend vom 14. Juli 1821. In: Großherzoglich Hessisches Ministerium des Inneren und der Justiz. (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1821 Nr. 33, S. 403 ff. (Online bei der Bayerischen Staatsbibliothek).
- ↑ Die Auflösung der Großherzoglich Hessischen Fürstlich und Gräflich Isenburgischen und Gräflich Stolbergischen Gesammt-Justiz-Kanzlei betreffend vom 10. Februar 1825. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt Nr. 10 vom 23. Februar 1825, S. 97
- ↑ Hombergk zu Vach, Friedrich Christian Gustav v. In: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt: Bestand S 1. In: Arcinsys.
- ↑ Sterbefälle. In: Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt vom 12. März 1858, Nr. 8, S. 108.