Quelltext der Seite Muskarinischer Acetylcholinrezeptor

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[[Datei:G Protein rezeptor.png|mini|Schema eines muscarinischen ACh-Rezeptors]]

'''Muskarinische Acetylcholinrezeptoren''', auch '''muskarinerge''', '''muskarinartige''' oder '''Muskarinrezeptoren''', sind [[Zellmembran|membranständige]] [[Rezeptor (Biochemie)|Rezeptoren]], die im [[Parasympathikus|parasympathischen Nervensystem]] vorkommen und als Substrat den [[Neurotransmitter]] [[Acetylcholin]] (ACh) binden ([[Acetylcholinrezeptor]]en), aber auch von [[Muskarin]] aktiviert werden können. Diese Rezeptoren gehören zur Gruppe der [[G-Protein-gekoppelter Rezeptor|G-Protein-gekoppelten Rezeptoren]].
[[Datei:Amanita muscaria 2.jpg|mini|''[[Amanita muscaria]]'', der [[Pilz]], aus dem das [[Muscarin|Muskarin]] isoliert wurde.]]
[[Datei:Muscarine.svg|mini|Strukturformel von <small>L</small>(+)-Muskarin, Gegenion nicht abgebildet.]]

== Reaktionsweg ==
Der Reaktionsweg bei Aktivierung der muskarinischen ACh-Rezeptoren ('''M<sub>1</sub>''', '''M<sub>3</sub>''', '''M<sub>5</sub>''') ist recht komplex und läuft über das [[Phosphoinositol]]-System. Über ein G-Protein (G<sub>q</sub>) wird im ersten Schritt die membranständige [[Phospholipase&nbsp;C]] (PLC) aktiviert. Der Angriffspunkt dieses Enzyms ist das Phosphatidylinositol-4,5-bisphosphat (PIP<sub>2</sub>), ein Bestandteil der Zellmembran. Im Gehirn ist die Fettsäurezusammensetzung dieses Lipids ungewöhnlich einheitlich.

Die PLC spaltet von diesem Phospholipid das [[Inositoltrisphosphat]] (IP<sub>3</sub>) ab, das ins Cytoplasma diffundiert. Das verbleibende [[Diacylglycerin]] (DAG) verbleibt in der Membran.
Im Cytoplasma setzt dann IP<sub>3</sub> aus intrazellulären Speichern des [[Endoplasmatisches Retikulum|Endoplasmatischen Retikulums]] Ca<sup>2+</sup> frei, wodurch eine ganze Reihe von biochemischen Prozessen in Gang gebracht wird.
An das membranständige DAG kann sich die [[Proteinkinase C]] anlagern. Dabei wird unter Mitwirkung von Ca<sup>2+</sup> dann die [[Katalyse|katalytische]] [[Proteindomäne|Domäne]] des Enzyms freigelegt. Über eine [[Phosphorylierung]] von Zellproteinen mit Hilfe des [[Adenosintriphosphat]]s kommen dann weitere Mechanismen in der Zelle in Gang.
Beide Systeme (IP<sub>3</sub> und DAG) können sowohl unabhängig voneinander arbeiten als auch sich gegenseitig verstärken.

Der Reaktionsweg des '''M<sub>2</sub>'''- und '''M<sub>4</sub>'''-Rezeptors ist von den anderen verschieden. Über die βγ-Untereinheit eines (inhibitorischen) G<sub>i</sub>-Proteins wird ein rezeptorgesteuerter Kaliumkanal aktiviert und gleichzeitig über die α-Untereinheit die Adenylatcyclase inhibiert. Die erhöhte Kalium[[Elektrische Leitfähigkeit|leitfähigkeit]] (I<sub>KACh</sub>-Strom) bewirkt eine [[Hyperpolarisation (Biologie)|Hyperpolarisation]] der Zelle. (Siehe Erregungsbildung in Zellen, [[Aktionspotential]])

== Aufbau ==
Der molekulare Aufbau des muskarinergen ACh-Rezeptors (mAChR) ist von dem des [[Nikotinischer Acetylcholinrezeptor|nicotinergen]] gänzlich verschieden. Er besteht aus einer zusammenhängenden Kette von etwa 400–500 Aminosäuren. Diese durchspannt die Zellmembran mit 7 [[Transmembrandomäne]]n (TMs), die jeweils eine α-Helix-Struktur aufweisen ([[Heptahelikaler Rezeptor]]). Das aminoterminale Ende (N-Terminus) liegt außerhalb der Zelle (extrazellulär), das Carboxy-terminale Ende (C-Terminus) intrazellulär. Auf der [[cytoplasma]]tischen Seite ist der Rezeptor an ein [[Guanosintriphosphat|GTP]]-bindendes Protein ([[G-Protein]]) gekoppelt, das die weitere [[Signaltransduktion]] bewirkt. Man ordnet ihn daher in die Familie der [[G-Protein-gekoppelter Rezeptor|G-Protein-gekoppelten Rezeptoren]] ein. Wie auch beim nicotinergen ACh-Rezeptor exprimiert der Körper in verschiedenen Geweben unterschiedliche Isoformen (Subtypen) des Rezeptors, sie werden mit M<sub>1</sub>-M<sub>5</sub> nummeriert, und weisen folgende Verteilung auf:
* M<sub>1</sub> ist der [[neuron]]ale Typ im [[Gehirn]], z.&nbsp;B. im [[Corpus striatum]]
* M<sub>2</sub> am Herzen, an [[Ganglien|postganglionär]]en Neuronen des [[Parasympathikus]], die die Kontraktilität und Herzfrequenz senken.
* M<sub>3</sub> ist der mAChR der [[Glatte Muskulatur|glatten Muskulatur]] der Gefäße und der [[Drüse]]n (z.&nbsp;B. [[Speicheldrüse]]n, [[Bauchspeicheldrüse]]). M<sub>3</sub> ist auch in den [[Belegzelle]]n des Magens für die Salzsäureproduktion vorhanden.
* M<sub>4</sub> und M<sub>5</sub> sind noch nicht endgültig charakterisiert, man weiß um ihr Vorkommen im Gehirn. Forschungsergebnisse aus Japan besagen, dass M<sub>5</sub> die [[Vasodilatation]] an cerebralen Arteriolen und die Dopaminfreisetzung im Striatum bewirkt.

Die Rezeptoren sind in geringem Maße auch in anderen [[Gewebe (Biologie)|Geweben]] gefunden worden.
Die Rezeptoren unterscheiden sich in ihrer [[Pharmakokinetik]], d.&nbsp;h., sie können unterschiedlich gut durch verschiedene [[Wirkstoff]]e angesprochen werden (s.&nbsp;u.).
[[Datei:Muscarinic acetylcholine receptor M2-3UON.png|mini|Schema der Struktur eines muscarinischen Acetylcholin-Rezeptor vom Typ M<sub>2</sub>]]

== Funktion und medizinische Bedeutung ==
Aufgrund des weiten Vorkommens dieses Rezeptors ergeben sich eine Fülle von Funktionen.

=== M<sub>1</sub>-Rezeptor ===
Im '''Gehirn''' nimmt das Acetylcholin über den M<sub>1</sub>-Rezeptor Einfluss auf [[Kognition|kognitive Fähigkeiten]] wie [[Lernen]] und [[Aufmerksamkeit]]. Gemeinsam mit dem nicotinergen Acetylcholinrezeptor ist der M<sub>1</sub> die Ursache für die [[delirant]] [[halluzinogen]]e Wirkung einiger Drogen. Die [[Betelnuss]] (Frucht von ''Areca catechu'') wird von vielen Menschen vor allem in [[Indien]] gekaut. Das darin enthaltene [[Agonist (Pharmakologie)|agonistisch]] wirkende [[Parasympathomimetikum]] ''[[Arecolin]]'' gelangt über die [[Blut-Hirn-Schranke]] ins Gehirn und übt dort die [[Euphorie|euphorisierende]] und stimulierende Wirkung aus. Ebenfalls –&nbsp;wenngleich über einen entgegengesetzten, [[Antagonist (Pharmakologie)|antagonistischen]] ([[Parasympatholytikum|parasympatholytischen]]) Effekt&nbsp;– werden [[Stechapfel]] (''Datura stramonium''), [[Tollkirsche]] (''Atropa belladonna'') und [[Bilsenkraut]] (''Hyoscyamus niger'') des [[Hyoscyamin]]s und [[Scopolamin]]s wegen genutzt. Über die [[Basalganglien]] hat Acetylcholin Einfluss auf die [[Morbus Parkinson|Parkinson-Erkrankung]]. Hier ist es die Ursache für die Störungen des extrapyramidalmotorischen Systems (Ruhe[[tremor]], Muskel[[Rigor|rigidität]]), dies jedoch nur, weil ein [[Dopamin]]mangel vorliegt, der zu einem relativen Acetylcholinüberschuss führt. Die Arzneistoffe [[Benzatropin]] und [[Biperiden]] werden den Erkrankten gegeben, um M<sub>1</sub>-Rezeptoren im [[Striatum]] zu blockieren und somit das Leiden zu mindern.

=== M<sub>2</sub>-Rezeptor ===
[[Datei:ACh rezeptor.png|mini|Schema der Wirkung des M<sub>2</sub>-Rezeptors am Herzen]]

Am '''Herzen''' befindet sich der M<sub>2</sub>-Rezeptorsubtyp, welcher durch den [[Parasympathikus]] angesteuert wird und am Herzen negativ [[Dromotropie|dromotrop]], negativ [[Chronotropie|chronotrop]] und indirekt auch negativ [[Inotropie|inotrop]] wirkt.
Dies wird über zwei Mechanismen in den Schrittmacherzellen des Herzens im [[Sinusknoten|Sinus-]] bzw. [[AV-Knoten]] erreicht:

1. Eine Hemmung der [[Adenylylcyclase]] über ein Gα<sub>i</sub>-Protein und damit Senkung von [[Cyclisches Adenosinmonophosphat|cAMP]].
Hierdurch wird ein hemmender Einfluss auf den [[HCN-Kanal]] („funny channel“, I<sub>f</sub>) ausgeübt. Dieser ist verantwortlich für den Schrittmacherstrom, einen Na<sup>+</sup>-Einwärtsstrom am Anfang der [[Depolarisation (Physiologie)|Depolarisationsphase]]:
Durch die Hemmung verzögert sich die Depolarisation der Zellen.

2. Acetylcholin aktiviert über den M<sub>2</sub>-Rezeptor die βγ-Untereinheit des heterotrimeren Gi Proteins, welches den rezeptorgesteuerten Kaliumkanal [[GIRK]] (engl.: G protein activated inwardly rectifying K+ channel; auch Kir3.x<ref>Hans Christian Renckhoff: [http://d-nb.info/982848323/34 ''Der Einfluss von Sphingolipiden und Analoga auf GIRK-Ströme atrialer Kardiomyozyten''.] 2006.</ref>) aktiviert. Hierdurch vergrößert sich die Kaliumleitfähigkeit (Strom: I<sub>KACh</sub>). Eine erhöhte Kaliumleitfähigkeit hat eine Hyperpolarisation der Zelle zur Folge. Ursache ist die größere Anzahl von K<sup>+</sup>-Ionen, die jetzt aus der Zelle herausströmen. Damit wird das Ruhepotential negativer sowie stabiler, entfernt sich also länger vom [[Schwellenpotential]]. Dementsprechend ist die Zelle schwerer depolarisierbar.

Pharmakologisch wirken auf den M<sub>2</sub>-Rezeptor stimulierend besonders das [[Muskarin]] und inhibierend das [[Atropin]] bzw. speziell [[(S)-Hyoscyamin]].

Das '''parasympathische System''' ist in der Lage, das '''sympathische System''' direkt zu hemmen. Grund hierfür sind M<sub>2</sub>-Rezeptoren, die auf der Oberfläche der sympathischen Neurone exprimiert sind und durch Stimulation über Acetylcholin aus parasympathischen Fasern hemmend wirken. Ein Beispiel hierfür ist die parasympathische Vasodilatation von Blutgefäßen durch Hemmung der vom Sympathikus vermittelten Vasokonstriktion.

=== M<sub>3</sub>-Rezeptor ===
'''[[Blutkreislauf|Kreislauf]]:''' Vom [[Endothel]] werden M<sub>3</sub>-Rezeptor exprimiert. Bei deren Aktivierung erfolgt die Synthese von [[Stickstoffmonoxid|NO]], das relaxierend auf die gefäßumspannenden [[Glatte Muskulatur|glatten Muskelzellen]] wirkt.

An den '''[[Genitalien]]''' bewirkt ACh über den M<sub>3</sub>-Rezeptor die Produktion von [[Stickstoffmonoxid]] (NO). NO wirkt als Vasodilatator, d.&nbsp;h., es kommt zur verstärkten [[Durchblutung]] und somit zur [[Erektion]] des [[Penis]] und der großen [[Schamlippe]]n.

An den '''[[Bronchialsystem|Bronchien]]''' wirkt Acetylcholin [[Bronchospasmus|bronchospastisch]], d.&nbsp;h., die Bronchienmuskulatur (M<sub>3</sub>-Rezeptor) kontrahiert sich und verengt die Luftwege. Dies hat große Bedeutung beim [[COPD]]. [[Ipratropium]] ist ein [[Antagonist (Pharmakologie)|Antagonist]] des mAChR und wirkt durch [[Inhalation]] ''[[Bronchodilatation|bronchodilatatorisch]]'', erweitert also die Luftwege und kann daher zur COPD-Therapie und als Reservemittel in der Behandlung von [[Asthma bronchiale]] genutzt werden.<ref>{{cite book |url=http://www.atemwegsliga.de/asthma.html?file=tl_files/eigene-dateien/asthma/asthmaleitlinie.pdf |author=R. Buhl et al.|editor=Deutsche Atemwegsliga, Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.&nbsp;V.|title= Leitlinie zur Diagnostik und Therapie von Patienten mit Asthma|year=2006|format=PDF}}</ref>

An den '''[[Belegzelle]]n''' des Magens wirkt ACh an M<sub>3</sub>-Rezeptoren mit bei der [[Salzsäure]]-Sekretion.

Das '''[[Sjögren-Syndrom]]''' ist eine [[Autoimmunerkrankung]], bei der das Immunsystem die Körperdrüsen angreift. Folge ist unter anderem [[Mundtrockenheit]]. Diesen Patienten kann mit [[Pilocarpin]] geholfen werden. Dieser Arzneistoff stimuliert besonders die M<sub>3</sub>-Rezeptoren. Aus diesem Grund wird er auch zur Diagnose der '''[[Mukoviszidose]]''' benutzt. Wegen durch die Krankheit bedingter mangelnder Natriumreabsorption und gleichzeitiger Stimulation der [[Schweißdrüse]]n zur Schweißproduktion entsteht ein sehr natriumreicher Schweiß.

=== Muskarinischer ACh-Rezeptor am Auge ===
Die [[Akkommodation (Auge)|Akkommodation]] des '''[[Auge]]s''' sowie die Weite der [[Pupille]] werden ebenfalls über den muskarinergen ACh-Rezeptor eingestellt. Der [[Augenarzt]] benutzt Atropin-Derivate wie z.&nbsp;B. Homatropin (Atropin selbst wirkt bis zu zwölf Tage und ist deshalb nur zur therapeutischen [[Mydriasis]] geeignet), um die Pupillen zu vergrößern und den Augenhintergrund besser betrachten zu können ([[Ophthalmoskopie]]). Den gleichen Hintergrund hat auch der Gebrauch von Hyoscyamin unter dem Namen [[Schwarze Tollkirsche|Belladonna]]. In der Vergangenheit haben Frauen sich den Saft der Tollkirsche in die Augen geträufelt, um große Pupillen zu bekommen und damit einem Schönheitsideal zu entsprechen.

[[Carbachol]] und [[Pilocarpin]], die beide den mAChR stimulieren, werden in der [[Glaukom|Winkelblockglaukom]]-Therapie angewandt, da durch die Verengung der Pupille der Abfluss des [[Kammerwasser]]s durch den [[Schlemm-Kanal]] verbessert wird.

== Siehe auch ==
* [[Nikotinischer Acetylcholinrezeptor]]

== Einzelnachweise ==
<references />

[[Kategorie:G-Protein-gekoppelter Rezeptor]]

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