Verschiedene: Die Gartenlaube (1897) | |
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bekannt, verraten von einem „angeschossnen Eber“, der sich die Wunde wusch. Die Sage von dem wunden Hirsch oder Eber, der den Menschen zu solchen Naturheilstätten geleitet, kehrt ja fast bei allen Wildbädern wieder, und es liegt ihr zum mindesten die Wahrheit zu Grunde, daß selbst die unvernünftige Kreatur den Weg zu den heilenden Wassern findet, welche die gütige Mutter Erde aus ihrem Schoße sprudelt, und daß auch die Menschheit immer wieder zu ihnen flüchten wird, mag ärztliche Kunst und Gelehrsamkeit zu Zeiten auch ihren Ruhm ein wenig verdunkeln. Den Eber also wird unser exakt forschendes Geschlecht preisgeben, um so mehr aber darf es dem Dichter aufs Wort glauben, was er von jenem Ueberfall des württembergischen Heldengrafen
berichtet, denn Uhland hat es, wie er meist bei seinen Balladen zu thun pflegte, mit aller Treue den urkundlichen Ueberlieferungen entnommen. Es ist also kein künstlicher Glanz der Romantik, der unser Bad umschwebt, auf Jahr und Tag ist es gewiß, daß jene ritterliche Gestalt aus dem fehdereichen vierzehnten Jahrhundert, der im Chor der Stuttgarter Stiftskirche ruhende gräfliche Ahnherr der württembergischen Könige, den man Eberhard den „Greiner“ (Zänker) oder „Rauschebart“ nannte, von seinen grimmen Gegnern, dem Ebersteiner, dem Wunnensteiner und den Rittern vom Schleglerbund oder, wie sie damals eigentlich hießen, den „Martinsvögeln“, im Frühsommer des Jahres 1367 im Wildbad überfallen wurde und daß er ihnen nicht mit heiler Haut entronnen wäre, wenn nicht ein braver Unterthan ihn auf geheimen Wegen über das Waldgebirge nach seiner festen Burg Zavelstein gerettet hätte. Auch ist es wohl erlaubt, anzunehmen, daß jener andre Eberhard, der „Graf im Bart“ und spätere Herzog, von dem das Württemberger Lied „Preisend mit viel schönen Reden“ handelt, auf dem Tag zu Worms, als er sich berühmte,
„Daß in Wäldern noch so groß
Ich mein Haupt kann kühnlich legen
Jedem Unterthan in Schoß,“
dabei eben jenes schönen Beispiels von Unterthanentreue gedachte, das seinem Ahn widerfahren war.
Doch kehren wir zum Wildbad zurück! Es ist auch buchstäblich richtig, was Uhland am Schluß seiner Ballade über Eberhards Dank für seine Rettung berichtet:
„Dann schickt er tücht’ge Maurer ins Wildbad allsofort;
Die sollen Mauern führen rings um den offnen Ort,
Damit in künft’gen Sommern sich jeder greise Mann,
Von Feinden ungefährdet, im Bade jüngen kann.“
In jenem Jahr wurde das Wildbad ein festes Städtchen, der „Greiner“ umgab es mit einer Mauer und machte es durch zwei Thore zugänglich. Diese ganze „Stadt“, wie sie einstens war, bildet den heutigen „Kurplatz“, und das „Hotel Klumpp“, eines der großartigsten und besten in Deutschland, führt seinen Ursprung direkt zurück auf jenes Wirtshaus zum „Spieß“, in dem der alte Greiner wohnte:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 541. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_541.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)