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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)


Kuppelpelz versprochen; aber ich fürcht’, Du plagst Dich umsonst! Weißt es wohl noch, was Du am Ostertag gesagt hast: Der, der mich zum Weib kriegt, müßt’s im Mutterleib’ schon verschuld’t hab’n – wie könnt’ ich das auf mein G’wissen nehmen, daß ich Einen so unglücklich machen thät’? Und dann“ – fügte sie nach einigem Zögern bei – „wenn ich auch wollt’, ich hab’ noch Kein’ kennen gelernt, bei dem sich unter’m Brustfleck ’was gerührt hätt’.“ Bei dem letzten Satze klang die Stimme noch etwas milder, ihr Gesicht war dabei abgewandt, als scheue sie sich, dem Blick der Base zu begegnen.

„Wird schon kommen; verlaß Dich d’rauf!“ sagte die Alte. „Die schöne Stasi, die einzige Tochter vom reichen Kurzen am Berg, braucht nit feil zu haben und hat die Wahl – aber anders mußt werden, hab’ ich gesagt und bleib’ dabei, damit Du die Leut’ nit abschreckst und sie sich nit völlig fürchten vor Dir.“

„Ha, der Rechte, wenn der kommt, der wird sich nit fürchten, denk’ ich; denn der Rechte, das muß auch der Richtige sein – sonst kann er auch hingehn, wo er hergekommen ist!“

„Der Rechte wird kommen und der Richtige – das ist mein geringster Kummer; deswegen aber brauchst doch nit gar zu übermüthig zu sein! In der heiligen Schrift steht: ‚Wer anklopft, dem wird aufgethan‘, – bald Du aber so grob ‚Herein‘ schreist, wie der Oberschreiber am Rentamt, wenn die Bauern die Steuer bringen, da kehrt Jeder lieber unter der Thür wieder um … Schau, ich will Dir’s nur sagen, ich bin deswegen herauf zu Dir; der Vater hat’s haben wollen; er ist auch nit gut zu Fuß, sonst wär’ er selber herauf. – Es ist schon Einer da gewesen, am letzten Sonntag nach dem Gottesdienst, da ist der Bichler von Bichl gekommen und hat seinen Spruch angebracht wegen Deiner für seinen zweiten Buben, den Mathies …“

„Und was hat der Vater gesagt?“ fragte Stasi, indem sie sich hastig nach der Redenden wandte.

„Das kannst Dir denken. Der Mathies ist der zweite Bub vom Bichler; der ältere, der Sepp, kriegt einmal den Hof; der Hies muß also schaun, daß er wo einheirathen kann; bringt einen schönen Stumpf Geld mit, ist sonst auch ein ordentlicher Bursch, der darf nirgends lang’ warten, bis man ihm aufmacht – drum hat sich der Vater auch nit lang’ besonnen’ und hat Ja gesagt.“

„So? Hat er Ja gesagt?“ rief Stasi, die an den Herd getreten war, mit funkelnden Augen und störte in den Brand, daß die Funken bis an die Decke sprühten. „Ich mein’, da hätt’ ich auch ein Wörtl drein zu reden! Ich will mich nit verhandeln lassen wie –“

„Wer verlangt denn das?“ unterbrach sie die Base. „Zünd’ nur nit die Hütt’n an! Der Vater hat auch ein Wort – er sagt:

‚Der Bub’ ist mir der Rechte; nachher kommt’s an’s Madel, das muß sagen, ob der Rechte auch der Richtige ist.‘ Brauchst Dich aber nimmer zu strapazir’n, Stasi – hast schon eine Ruh’ vor dem Hies! Dem Vater wär’ die Heirath ganz recht gewesen; er hat sich gedenkt, Du würdest auch nit so viel dawider haben; aber am andern Sonntag, wie der Bichler hätt’ wiederkommen sollen, damit die Sach’ wär’ festgemacht worden, da ist statt seiner ein Briefel gekommen, in dem hat er Botschaft gethan, er hätt’ sich’s anders überlegt, und wenn der Vater wissen wollt’, warum, nachher sollt’ er nur beim Wirth in der Jachenau nachfragen wegen dem Bocktanze; er hätt’ gern den Frieden und die Ruh’ in seinem Haus und in dem Haus auch, in das sein Sohn einheirathen sollt’ – und Du – na, mit Einem Wort: Du wärst ihm halt zu bös zu einer Schwiegertochter!“

Stasi erwiderte nichts; sie konnte nicht, sie war in Thränen ausgebrochen, in Thränen des Zornes und machtlosen Grimms, dabei hielt sie den Schurz, den sie vor die Augen gedrückt, so fest gefaßt und zerrte und zog daran, daß das starke Gewebe zu reißen begann. „Und das muß ich mir gefallen lassen,“ schluchzte sie, „blos weil ich Niemand hab’, der sich um mich annimmt.“

„So mach’, daß sich Einer annimmt um Dich! Mach’ aber zuerst auch, daß er sich annehmen kann, daß er Dich gern haben kann!“

„Willst Du mir vielleicht lernen, wie ich das anstellen muß?“

„Wenn Du noch so spöttisch d’reinschaust, vielleicht könnt’ ich’s doch!“ erwiderte die Base. „Schau’ mich an – thu’ ich nit mein’ Sach’ richtig? Jedes kriegt von mir ein freundliches Gesicht und ein gutes Wort, und wenn ich einmal gestorben bin, wird’s von mir heißen: ‚’s ist ein gutes altes Weibl gewesen‘ … O mein Dirndl, glaubst Du, deswegen ist auch inwendig Alles in mir so glatt und still gewesen? Muß man denn Alles den Leuten auf die Nasen binden? Müssen denn, wenn sich am Grund was rührt, droben die Wellen gleich zu stürmen anfangen? Ich hab’ wohl Ursach’ gehabt, harb zu sein, und es wär’ kein Wunder, wenn ich ganz erbittert worden wär’ und mein Lebtag kein freundliches Gesicht mehr gemacht hätt’.“

„Wie das?“ fragte Stasi und wandte sich nach der Redenden zu. „Davon hast mir ja noch nie was erzählt.“

„Weil ich nie davon red’, weil ich das Alles lang’ in mir eingegraben hab’ wie auf dem Friedhof, und hab’ ein Kreuz darauf gesteckt wie auf ein Grab – und wenn ich auch für mich manchmal die Grabschrift überles’, bist doch Du nie darnach gewesen, daß ich Dich noch hätt’ mitlesen lassen können.“

„Du machst mich ja völlig neugierig,“ sagte Stasi, etwas näher rückend.

(Fortsetzung folgt.)




Werder und seine Braven.


Der gegenwärtige Krieg hatte von Anfang an das Wesen eines Volkskriegs. Die Leitung desselben von Seiten der deutschen Heeresführer ist eine meisterhafte gewesen, vom ersten Zusammenstoße bis zum letzten Schusse. Das wird die Weltgeschichte freudig anerkennen, das muß der Neid, die Feindschaft des Tages unbeleckt zugestehen. Aber eines wird die Weltgeschichte ebenfalls anerkennen, wird der Neid, der Haß, die Furcht des Tages nicht weniger zugestehen müssen, – daß es kaum je ein Heer gegeben hat, welches gekämpft wie das deutsche des Feldzuges von 1870 bis 1871, daß kaum je einem Feldherrn ein „Kriegsmaterial“ zu Gebote gestanden hat, wie das, dessen Laufbahn heute mit dem Waffenstillstand von Paris sein Ziel, den Frieden, hoffentlich erreicht haben wird.

Das ganze Heer, vom ersten bis zum letzten Soldaten, kämpfte mit Bewußtsein, mit persönlicher Entschlossenheit und persönlichem Siegesmuthe. Die Massen dieses Heeres waren vom ersten Tage bis zum letzten wahrhaft bewundernswürdig. Wir haben einen englischen Officier gesprochen, welcher der Schlacht bei Wörth als echter Engländer aus Liebhaberei beiwohnte. Er hat keine Kriegsberichte für Zeitungen geschrieben, auch keine Depeschen an irgend eine Regierung abgeschickt; aber vom Schlachtfelde von Wörth aus schrieb er einem Freunde: „Die Franzosen sind verloren. Das sind keine Bataillone, das sind Mauern, die mit unwiderstehlicher Macht vordringen. Man sieht gar nicht, daß die Kanonen, Mitrailleusen, Gewehre sie berühren. Jede Lücke schließt sich augenblicklich. Nur hinter den Reihen merkt man, daß sie gelichtet wurden. Jeder Mann, vom ersten bis zum letzten, ist ein Held. Frankreich ist verloren, und um so mehr, je länger der Krieg dauert!“

Das war der Eindruck der ersten Schlacht in diesem Kriege, das ist der Eindruck der letzten – denn wir hoffen, daß die Schlachten bei Belfort oder Montbeliard die letzten in diesem Kriege gewesen sein werden. In diesen letzten Schlachten ist aber der Charakter, das Wesen dieses Krieges nur noch lebendiger an den Tag getreten. Das „Werder’sche Corps“, das so eigentlich kein besonderes Corps war, sondern nach und nach zu einem kleinen Heere von Heeresabtheilungen aus allen Gauen Deutschlands, Baden, Württemberg, Westphalen, Holstein u. A. zusammengelesen ward, hat ein sehr einfaches, aber wunderbar großartiges Schauspiel von festem Muthe und unerschütterlicher Standhaftigkeit der Massen dieses kleinen Heeres, des gemeinen Mannes, des Volkes, das in ihm vertreten war, gegeben. Vier Tage haben die deutschen Krieger hier nicht nur wie die Helden gekämpft, – das hätten auch andere Völker gekonnt, die Franzosen vor Allen vielleicht auch, – ja, nicht nur gekämpft, sondern auch gewacht, gehungert, gefroren, gedurstet, gelitten und überstanden, was je irgend einem

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