Wanderjahre

Zeit der traditionellen Wanderschaft eines Handwerksgesellen
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Die Wanderjahre, auch Walz, Stör oder Tippelei genannt, ist die Zeit, in der ein Geselle nach Abschluss seiner Lehre auf Reisen geht, um von anderen Meistern seiner Zunft zu lernen und Erfahrungen zu sammeln.

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Verschiedene Handwerker auf der Wanderschaft.

Die Wanderjahre waren im Mittelalter eine Voraussetzung, um Meister werden zu können. Heutzutage ist die Wanderschaft freiwillig. Hat man sich aber dafür entschieden, so sind drei Jahre Wanderschaft als Minimum bei Schächten wie die Rechtschaffenen Fremden, Rolandsbrüder und dem Fremden Freiheitsschacht vorgeschrieben. Ausnahmen machen die Freien Vogtländer Deutschlands und Axt und Kelle-Gesellen, welche eine Mindestreisezeit von zwei Jahren und einem Tag vorschreiben.

Auf die Wanderschaft darf heute nur gehen, wer die Gesellenprüfung bestanden hat, jünger ist als 30 Jahre, ledig und schuldenfrei. Oftmals ist ein polizeiliches Führungszeugnis ohne Einträge erforderlich.

Die Tippelei war und ist teilweise an schwierige Bedingungen geknüpft. So darf der Fremde in seiner Reisezeit einen Bannkreis von meist 50 km um seinen Heimatort nicht betreten, auch nicht im Winter oder zu Feiertagen. Weiterhin muss er in der Öffentlichkeit immer seine Kluft tragen, stets gepflegt erscheinen und sich einer rechtschaffenen Lebensweise befleißigen. Er darf kein eigenes Fahrzeug besitzen und bewegt sich nur zu Fuß oder per Anhalter fort. Öffentliche Verkehrsmittel sind nicht verboten, aber verpönt. All sein Hab und Gut verstaut der wandernde Geselle in einem Charlottenburger oder Charlie oder (seltener) in einem Felleisen, einem historischen Tornister der Schweizer Armee.

Im mitgeführten Wanderbuch sammelt der "Tippelbruder"- (wobei Tippelbrüder mehr als Beleidigung zählt, da damit Berber und Speckjäger gemeint wurden) die Städtesiegel der von ihm besuchten Ortschaften, nachdem er bei deren Bürgermeistern "zünftig um das Siegel vorgesprochen" hat.

Die Wanderschaft darf nur aufgrund wirklich zwingender Gründe und dann im Einverständnis mit dem zuständigen Schacht abgebrochen werden, etwa bei einer schweren Krankheit. Andernfalls wäre eine Unterbrechung "unehrbar", das Wanderbuch würde eingezogen und die Kluft "an den Nagel gehängt".

Trotz all dieser Bedingungen sind die Wanderjahre für viele Ausgereiste die schönsten Jahre des Lebens, da man in dieser Zeit die größte Freiheit genießen kann.

Im Jahr 2005 waren zwischen 600 und 800 Gesellen freiwillig auf der Wanderschaft.

Viele Wanderlieder sind eigentlich Lieder von Handwerksgesellen. Die Wanderjahre spiegeln sich auch im englischen Wort für Geselle, Journeyman (Reisender), wider. Mehr über die Wanderschaft kann man direkt bei den Schächten, bei Reisenden oder im Blankenburger Herbergsmuseum erfahren.

Siehe auch

Schacht (Vereinigung), C.C.E.G.